Die Gewerkschaften haben den europäischen Integrationsprozess von Beginn an auch gegen Widerstand aus den eigenen Reihen kontinuierlich unterstützt. Ironischerweise scheint sich Europa gerade seit dem Moment, in dem die ausschließliche Konzentration auf ökonomische Integration aufgegeben wurde und verschiedenste Initiativen in Richtung einer politischen und sozialen Union ins Leben gerufen wurden, gegen zentrale gewerkschaftliche Grundinteressen zu richten. Die Perfektionierung des Binnenmarktes hat in diesem Zusammenhang die wenigen Versuche einer stärkeren Ausrichtung auch an politischen und sozialen Grundrechten kläglich aussehen lassen und fast ausnahmslos im Keim erstickt. Vor diesem Hintergrund macht sich nicht nur Unmut innerhalb der Gewerkschaftsbewegung breit, auch insgesamt scheint der Integrationsenthusiasmus der 90er-Jahre weitgehend zum Erliegen gekommen zu sein – das „Nein“ zum Verfassungsvertrag aus den Niederlanden und Frankreich war in dieser Hinsicht nur die öffentlichkeitswirksamste Äußerung eines länger schwelenden Prozesses. Die Gewerkschaften sind mit Blick auf Europa derzeit bestenfalls verunsichert – ein tragfähiger Konsens über eine konsistente Zukunftsstrategie fehlt. Hier setzen die Autoren an und diskutieren eine notwendige Neujustierung gewerkschaftlicher Politik gegenüber Europa. Im Mittelpunkt steht dabei zunächst eine Bestandsaufnahme – was hat sich geändert seit den Anfängen des europäischen Projektes und wo stehen die Gewerkschaften in diesem Zusammenhang? Einig sind sich die Autoren, dass ein Oppositionskurs zu Europa keine tragfähige Lösung sein kann. Es werden diskursive sowie praktisch-konkrete Anknüpfungspunkte an europäische Politiken (nicht zuletzt, was die Mitbestimmung in den europäischen Institutionen selbst betrifft) aufgezeigt, aber auch eigene Versäumnisse analysiert. Diese bestehen, das wird in sämtlichen Beiträgen implizit oder explizit deutlich, auch darin, dass ein scharfer Gegenwind auf europäischer Ebene oftmals mit einem unwillkürlichen Rückzug auf nationales Terrain beantwortet wurde. Obwohl die Antwort auf die Frage zukünftiger Strategien unterschiedlich ausfällt, kann die Lösung auch für die Gewerkschaften letzten Endes nur mehr statt weniger Europa lauten.