/ 11.06.2013
Christoph Meyer
Herbert Wehner. Biographie
München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2006; 579 S.; brosch., 16,- €; ISBN 978-3-423-24551-7Diese Biografie handelt auch von einem großen Versagen – der CDU. Jahrzehntelang schmähten sie Wehner für seine nie geleugnete kommunistische Vergangenheit und versuchte, ihn als Ost-Spion in Verruf zu bringen. Gerade dieser SPD-Politiker aber hätte eine westdeutsche Integrationsfigur sein können, weil er aus den Erfahrungen mit der nationalsozialistischen und der stalinistischen Diktatur die einzig richtigen – demokratischen - Schlüsse gezogen hatte. Aber dieser eigentlich angemessenen Betrachtung seiner Person stand offensichtlich die Existenz der DDR als ideologisches Drohgebilde entgegen. So ist es vielleicht kein Zufall, dass erst mit zeitlichem Abstand zum ihrem Ende (und im Jahr des 100. Geburtstages von Wehner) die erste sein gesamtes Leben umfassende Biografie erscheint. Der Autor ist Leiter des Herbert-Wehner-Bildungswerkes in Dresden. Sein Blick komme aus einem bestimmten Winkel, bemerkt er richtig, sei aber hoffentlich unverstellt. Und tatsächlich ist ihm eine Lebensbeschreibung gelungen, die Wehner für nichts entschuldigt, aber auch nicht beschuldigt und vor allem dessen Hinwendung zur Sozialdemokratie nachvollziehbar macht. Unklar bleibt nur, was Wehner unter dem von ihm weiterhin propagierten Sozialismus verstanden haben mag. Eindeutig sind aber seine Verdienste für die Bundesrepublik: Meyer beschreibt, dass maßgeblich Wehner die SPD regierungsfähig gemacht und der großen Koalition den Weg geebnet habe. Besonders herausgestellt wird auch, dass Wehner sich für die Freikäufe von DDR-Häftlingen und Familienzusammenführungen einsetzte. Nie habe er die deutsche Einheit aus den Augen verloren, so Meyer, eine ideologische Koexistenz mit den Kommunisten aber immer abgelehnt. Zahlreiche Gespräche mit dessen Witwe Greta und Einblick in die private Korrespondenz haben dazu geführt, dass die große Stärke dieser Biografie nicht in der Darstellung des durchsetzungsstarken Politikers liegt, sondern in der des mitfühlenden Menschen. Diese eher private Sicht lässt Wehners politisches Engagement schlussendlich plausibel erscheinen.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.3 | 2.331 | 2.313
Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Christoph Meyer: Herbert Wehner. München: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/9529-herbert-wehner_30454, veröffentlicht am 25.06.2007.
Buch-Nr.: 30454
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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