/ 04.06.2013
Martina Seitz
Italien zwischen Zentralismus und Föderalismus. Dezentralisierung und Nord-Süd-Konflikt. Mit einem Geleitwort von Detlev Albers
Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 1997 (DUV: Sozialwissenschaft); X, 198 S.; brosch., 44,- DM; ISBN 3-8244-4259-0Diss. Bremen; Erstgutachter: D. Albers. - Die provokanten Sezessionsforderungen der italienischen Lega Nord haben in den letzten Jahren eine massive Föderalismusdebatte in Italien und Zweifel an den Solidaritätsmechanismen zwischen den italienischen Regionen ausgelöst. Seitz untersucht eine der drängendsten Fragen innerpolitischer Auseinandersetzungen: Kann Italien auf dem Weg zur vielzitierten "Zweiten Republik" aus seiner zentralstaatlichen Tradition herausfinden und zu einem föderalen Staatsaufbau gelangen?
Der Blick auf Perspektiven für den Ausgleich des krassen Nord-Süd-Gefälles wird von der erkenntnisleitenden These getragen, daß eine funktionsfähige Ausgleichspolitik eine dezentralisierte Regierungsstruktur, wenn nicht sogar die föderale Eigenständigkeit der italienischen Regionen erfordert. Vor diesem Hintergrund analysiert Seitz zunächst institutionelle Aspekte des Spannungsverhältnisses zwischen Zentralismus und Föderalismus in Italien. Hierauf aufbauend richtet sie - und darin liegt das Besondere ihrer Untersuchung - ihre Aufmerksamkeit auf die Eigenverantwortung der regionalen Akteure für die Formulierung und Durchsetzung ihrer Interessen: "Aus dem regionalen Bewußtsein und der Bereitschaft, sich mit der Region zu identifizieren und sie zum Rahmen des eigenen politischen Handelns zu machen, resultiert eine verbesserte Bündelungs- und damit Durchsetzungsfähigkeit der Interessen der Bevölkerung." (2) Daher betont Seitz den symbolischen Stellenwert der Region, d. h. die Wahrnehmung ihrer Relevanz als politischen Gestaltungsraum für regionale Akteure. Die Frage nach nationalstaatlicher Integration und regionaler Autonomie schließlich wird aus der regionalen Perspektive selbst paradigmatisch anhand der südlichen Region Kampanien und der nördlichen Lombardei untersucht.
Aus dem Inhalt: I. Zentralismus, Föderalismus, Regionalismus: Begrifflichkeit und ideengeschichtlicher Hintergrund: 1. Zentralismus und Nationalstaatlichkeit; 2. Institutionelle Verfaßtheit und Rolle von Regionen und Bundesländern im nationalstaatlichen System; 3. Die Dynamik der Zentrum-Peripherie-Beziehungen; 4. Politische Partizipation und regionale Identität. II. Der italienische Nationalstaat: Historische Entwicklung und föderalistische Traditionen: 1. Entstehung des Zentralstaates und des Föderalismusgedankens in Italien; 2. Föderalismus, Nord-Süd-Problematik und "nationale Solidarität" in der geschichtlichen Entwicklung und in der theoretischen Diskussion. III. Vom faschistischen Zentralismus zum Regionalstaat: Italien nach dem Zweiten Weltkrieg; IV. Aktuelle Entwicklungen der Regional- und der Föderalismusdebatte: 1. Das Wiederaufleben der Föderalismusdiskussion durch neue soziale und politische Kräfte; 2. Die Reform der Regionalordnung in den neunziger Jahren; 3. Die aktuelle Situation der Süd- und der Regionenfrage. V. Der italienische Regionalstaat in der Praxis: Autonomie und Funktionsfähigkeit der italienischen Regionen am Beispiel Lombardei und Kampanien: 2. Der historische, politische und sozio-ökonomische Kontext in den Untersuchungsregionen; 3. Autonomie und Relevanz regionalen politischen Handelns in bestimmten Politikfeldern: Die Industriepolitik; 4. Autonomie und Relevanz regionalen politischen Handelns in bestimmten Politikfeldern: Die Umweltpolitik; 5. Die Bedeutung der politischen Handlungsebene Region in den untersuchten Politikfeldern. VI. Politische Identität und Autonomie in den Untersuchungsregionen: 1. Regionale Identität und Perzeption der Region als sozialpolitischem Handlungsfeld; 2. Parteienzentralismus und regionale Politik; 3. Charakteristiken der Zivilgesellschaft und Nord-Süd-Differenzierung der Elitenstruktur; 4. Region und soziopolitisches Handeln in der Region aus nord- und süditalienischer Sicht. VII. Die Perspektiven des italienischen Staates: Möglichkeiten einer föderalistischen Entwicklung und Gefahren eines norditalienischen Sezessionismus.
Andrea Wolf (AW)
Dipl.-Politologin.
Rubrizierung: 2.61 | 2.21
Empfohlene Zitierweise: Andrea Wolf, Rezension zu: Martina Seitz: Italien zwischen Zentralismus und Föderalismus. Wiesbaden: 1997, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/5217-italien-zwischen-zentralismus-und-foederalismus_6849, veröffentlicht am 25.06.2007.
Buch-Nr.: 6849
Rezension drucken
Dipl.-Politologin.
CC-BY-NC-SA