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/ 11.02.2016
Ulrich Schneider (Hrsg.)

Kampf um die Armut. Von echten Nöten und neoliberalen Mythen

Frankfurt a. M.: Westend Verlag 2015; 205 S.; 14,99 €; ISBN 978-3-86489-114-4
„Natürlich geht es um Ungleichheit, um Armut als Folge wachsender Ungleichheit bei den Einkommen“ (25), fasst der Herausgeber und Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtverbandes Ulrich Schneider in seinem Beitrag zusammen und greift gleich zu Beginn den Kern des deutschen Diskurses über die Deutung und Definition von Armut auf. Dem Vorwurf der – wie er sie nennt – „Neoliberalen“ (beispielsweise 11), der relative Armutsbegriff sei ein nicht die realen Verhältnisse widerspiegelndes statistisches Verfahren, hält Schneider ergänzend zum Anfangszitat entgegen, dass Deutschland zwar tatsächlich immer reicher werde, aber gleichzeitig auch die Ausgrenzung aus gesellschaftlichen Verhältnissen drastisch zunehme. Nach dieser Deutung ist der wachsende Reichtum so verteilt, dass die soziale Ungleichheit in ihrer extremsten Form – der Armut – wächst. Die zwei darauffolgenden Beiträge von Christoph Butterwegge, Professor für Politikwissenschaft in Köln, und Stefan Sell, Professor für Volkswirtschaftslehre in Koblenz, ergänzen diese Ausführungen treffend. Butterwegge betont in einem sonst eher polemischen Beitrag, dass der relative Armutsbegriff nur dann hinfällig wäre, wenn der Wohlstand jedes Individuums ausreiche, um uneingeschränkte soziale, politische und kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Armut zeigt sich somit nicht nur in ökonomischen Kategorien, sondern auch in den Bedingungen sozialer und kultureller Teilhabe. Sell ergänzt, dass aufgrund der von verschiedenen Forschungsinstituten nachgewiesenen Datenlücken im oberen Einkommens‑ und Vermögensbereich derzeit das Ausmaß der sozialen Ungleichheit in Deutschland erheblich unterschätzt wird. Friedhelm Hengsbach, Mitglied des Jesuitenordens und emeritierter Professor für Christliche Gesellschaftsethik, fordert aus diesem Grund in seinem etwas unstrukturierten Beitrag eine gerechtere Umverteilungspolitik, die insbesondere das Geschlechterverhältnis mehr beachten müsse. Dass es in Deutschland zudem eine wachsende Anzahl an Menschen gibt, die in existenzieller Armut lebt, zeigt Rudolf Martens, Leiter der Forschungsstelle im Paritätischen Wohlfahrtsverband, mit Verweis auf den rapiden Anstieg der „Tafeln“. Das Ziel müsse sein, die Tafeln langfristig überflüssig zu machen, wozu er – begründet durch eine detaillierte Bedarfsrechnung – eine Erhöhung der Hartz IV‑Regelsätze vorschlägt. Das Buch und insbesondere die Ausführungen von Ulrich Schneider leisten einen wichtigen Beitrag zum Diskurs über Armut in Deutschland.
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Rubrizierung: 2.3422.3312.352.3 Empfohlene Zitierweise: Christian Heuser, Rezension zu: Ulrich Schneider (Hrsg.): Kampf um die Armut. Frankfurt a. M.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/39391-kampf-um-die-armut_47980, veröffentlicht am 11.02.2016. Buch-Nr.: 47980 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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