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/ 08.12.2016
Dieter Hoffmann-Axthelm

Lokaldemokratie und europäisches Haus. Roadmap für eine geöffnete Republik

Bielefeld: transcript Verlag 2016 (xtexte); 109 S.; 17,99 €; ISBN 978-3-8376-3642-0
Europa steht derzeit unter keinem guten Stern – Brexit, Populismus, all das und eine notorische Europaskepsis deuten an, dass die Union in massiven Schwierigkeiten steckt. Was also ist zu tun, wenn das historisch erfolgreichste Demokratie‑ und Friedensprojekt des Kontinents gerettet werden soll? Dieter Hoffmann‑Axthelm skizziert in seinem Band eine Lösung, in der die „EU als kongeniale Garantiemacht des Lokalen“ (35) auftritt. Mit anderen Worten: Angesichts der derzeitigen Problemlage gelte es, lokale, direktdemokratische Teilhabeformen mit einer europäischen, jenseits nationaler Partikularismen angeordneten Zentralmacht zu kombinieren. „Wenn der ichpolitische Impuls zum Zuge kommen soll“, so Hoffmann‑Axthelm, „andererseits im Zentrum zerstörerisch wäre, bleibt nur, da unverbindliche Beteiligungsangebote nichts nützen, die radikalere Lösung, Teile der Entscheidungsmenge aus dem Zentrum auf die moderne Ebene politischer Peripherie zu verlagern“ (30). Die Frage, die sich angesichts dieser angestrebten Aufteilung der politischen Entscheidungsmenge stellt, lautet unweigerlich, nach welchen Kriterien da denn aufgeteilt werden soll? Genuine lokaldemokratische Zuständigkeiten sieht er in der Selbstverwaltung, in der fiskalischen sowie in der wirtschaftlichen Kompetenz, was zudem noch einen „ernsthaften Rückfluß der privaten Vermögen aus den internationalen Fonds in lokale Wirtschaftsbereiche“ (59) zur Voraussetzung hätte. Auf der anderen Seite, der der „funktionsfähigen EU“, bräuchten die bestehenden Institutionen von Rat, Parlament und Kommission eine politische Kompetenz, die stark genug ist, um „Widerstände einzelner Staaten gegen Maßnahmen, die sich […] als richtig bzw. notwendig herausstellen, am Ende auch übergehen zu können“ (47). Politikfelder, für die das gilt, wären die Außen‑, die Wirtschafts‑, die Finanz‑, aber auch die Sicherheitspolitik. Auch wenn diese Aufteilung nicht wirklich trennscharf anmutet und zwar weder hinsichtlich der Kompetenz‑ noch der inhaltlichen Verteilung der Aufgaben, so besteht der Charme der Überlegungen von Hoffmann‑Axthelm doch darin, das Verhältnis von Stadt und (Supra‑)Staat neu vermessen zu haben. Dass in dieser Rechnung der Nationalstaat nicht mehr auftaucht, macht den Entwurf erst recht bedenkenswert, gerade in einer Zeit, in der die populistische Versuchung einer gegenseitigen, nationalstaatlichen Abschottung größer zu sein scheint denn je – zumindest seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges.
{LEM}
Rubrizierung: 3.43.12.21 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Dieter Hoffmann-Axthelm: Lokaldemokratie und europäisches Haus. Bielefeld: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/40169-lokaldemokratie-und-europaeisches-haus_48488, veröffentlicht am 08.12.2016. Buch-Nr.: 48488 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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