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/ 21.06.2013
Rolf Zimmermann

Moral als Macht. Eine Philosophie der historischen Erfahrung

Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 2008 (Rowohlts Enzyklopädie); 235 S.; 12,95 €; ISBN 978-3-499-55693-7
Die Begründung der universalistischen Moral, die die Rechte des einzelnen Menschen in den Mittelpunkt stellt, liegt in dem Zusammenhang „von moralischem Selbstverständnis, historischer Gegenwart, historischer Verantwortung und kollektiver Scham“ (185). Zu diesem Fazit kommt Zimmermann, Professor für Philosophie in Konstanz, nach einer beeindruckenden Analyse. Sie beginnt mit der Feststellung, dass – als herausragendste Beispiele – der Holocaust und der mutwillig herbeigeführte Hungertod von bis zu 3,5 Millionen Menschen in der Ukraine 1932/33 (Holodomor) keine Taten ohne Moral waren. Zimmermann stellt vielmehr im Holocaust einen moralischen „Gattungsbruch“ (18) und im Holodomor mindestens ein Gattungsversagen fest. Beide Ereignisse hätten aber nicht in Abwesenheit oder Verneinung von Moral stattgefunden, vollzogen worden sei eine nazistische bzw. bolschewistische Transformation von Moral. Das Ziel sei gewesen, die universalistischen Menschenrechte zu ersetzen durch eine „Erlösungsperspektive für die Menschheit, die sie glauben, nur so umsetzen zu können, dass sie die Menschheit von bestimmten Menschengruppen ‚befreien’, d. h. physisch vernichten“ (8). Ohne Gleichsetzung zieht Zimmermann aus diesen und anderen Ereignissen den Schluss, dass nur die Wahrnehmung dieser anderen Moralen bei der Beantwortung der Frage hilft, wie genau eine universalistische Moral zu begründen ist. Vor dieser konkreten Schlussfolgerung aber beschäftigt er sich mit der Definition der Moral als Wille zur Macht durch Nietzsche. „Dieser Wille zur Macht ist der Wille einer wertenden, normativen Selbstbehauptung gegen andere“ (129); Nietzsche habe bei dieser Definition aber übersehen, „dass es ein individualistisches Verständnis von menschlicher Gleichheit gibt“ (132). Nur der einzelne Mensch könne aus der historischen Erfahrung heraus und damit in dem Bewusstsein, dass der Holocaust ein Gattungsbruch war, eine universalistische Moral definieren und diese gemeinsam mit den gleich denkenden anderen Individuen seiner Gesellschaft wirksam werden lassen.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 5.442.25 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Rolf Zimmermann: Moral als Macht. Reinbek bei Hamburg: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/29107-moral-als-macht_34389, veröffentlicht am 23.09.2008. Buch-Nr.: 34389 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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