Heinz Bude: Pandemie und Gesellschaft. Ein Gespräch über eine Zeitenwende
Indem man andere schützt, schützt man sich selbst. Diese Idee, so Heinz Bude im Interview mit Christian Krell, sei der Basismechanismus von Solidarität. Zu Beginn der Corona-Krise sei sie vorhanden gewesen, doch mittlerweile befinde sie sich in Gefahr. Einen Ausweg biete sowohl die Wiederbelebung der kommunalen Ebene als auch ein solidarisches Handeln auf Ebene der Europäischen Union – so ließen sich die Folgen der Corona-Krise gemeinsam bewältigen. Christian Heuser hat die Publikation besprochen.
BTW-Schwerpunkt: Aus der Krise
„[D]er Begriff der Solidarität, der uns Zukunft bringt, ist einer, der durch das Nadelöhr des Ichs gehen muss. Hier ist wieder Corona sehr wichtig: Das ist die Erfahrung der allgemeinen Verwundbarkeit“ (29), so fasst Heinz Bude, Professor für Makrosoziologie an der Universität Kassel, die derzeitige Corona-Krisenlage aus seiner Sicht im Dialog mit Christian Krell im Rahmen der Gesprächsreihe „rausgeblickt“ zusammen. Diese liegt nun editiert im Dietz-Verlag vor.
Eine der zentralen Lösungsansätze der Corona-Krisenlage lautet: „Wie können wir einen Staat neu denken, vor dem man sich nicht fürchten muss?“ (21) Bude spricht damit im Rahmen der Corona-Thematik die klassische Frage der Soziologie nach dem Verhältnis von Kollektiv (Staat) und Individuum (Bürger) an und verbindet sie gekonnt mit seinem derzeitigen Forschungsschwerpunkt der Solidarität. Im Gesprächsverlauf wird dieses Verhältnis mit zahlreichen interessanten Beispielen und einer für ein Gespräch richtigen Dosis an Theoretisierung ausgeführt.
Doch warum sind Solidarität und die Corona-Thematik so eng verbunden? Bude bringt es auf den Punkt: Jeder/jede Bürger*in schützt sich, indem er/sie andere schützt, was der Basismechanismus von Solidarität ist. Nachdem dies zu Beginn der Corona-Krise noch gut funktionierte, sieht Bude die Solidarität mittlerweile gefährdet, unter anderem durch autoritäre Sehnsüchte, Freiheitsfantasien bei gleichzeitiger Abhängigkeit vom Staat sowie einer allgemeinen Frustration darüber, dass man sich Verhältnissen beugen müsse, die man nicht mehr beeinflussen könne. Eine mögliche Lösung dafür sei die „Renovierung“ (50) des kommunalen Gedankens. Vor Ort, also ‚im Kleinen‘, könne Solidarität besonders gut funktionieren, was wiederum die Individualebene betreffe. Für die Kollektivebene schlägt Bude jedoch ein solidarisches Handeln auf EU-Ebene vor. Hier könnten im Sinne einer Europäischen Union der „Gemeinsamkeiten von Problemen“ (43) die unterschiedlichen Stärken der Mitgliedstaaten dazu beitragen, dass die Folgen der Corona-Krise gemeinsam bewältigt werden. Innerhalb Deutschlands unterstützt Bude den Keynesianismus und die bisherigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen im Sinne dieser nachfrageorientierten Wirtschaftstheorie.
Eine große Stärke des Buchformats ist, dass die Leser*innen einer interessanten Diskussion folgen können. Da das Gespräch anhand einzelner Themenkomplexe strukturiert ist, lässt sich dem Gespräch problemlos folgen, was das Buch zu einer aufschlussreichen Lektüre macht.
Demokratie und Frieden
Themenschwerpunkt BTW21
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