/ 22.06.2013
Udo Wengst (Hrsg.)
Reform und Revolte. Politischer und gesellschaftlicher Wandel in der Bundesrepublik Deutschland vor und nach 1968
München: Oldenbourg Verlag 2011 (Zeitgeschichte im Gespräch 12); 123 S.; 16,80 €; ISBN 978-3-486-70404-4Dieser Band hebt sich mit seiner Zusammenstellung äußerst kontroverser Beiträge aus dem stetigen Fluss wissenschaftlicher Publikationen heraus. Die Historiker Axel Schildt und Ingrid Gilcher-Holtey diskutieren neuere Dissertationen, die mit Unterstützung des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin entstanden sind und teilweise vom Herausgeber Wengst betreut wurden. Die bereits veröffentlichten Arbeiten (siehe u. a. Patrik Bernhard, Buch-Nr. 28323, Bastian Hein, Buch-Nr. 31057, Elisabeth Zellmer, Buch-Nr. 40519) werden in Aufsätzen noch einmal kurz vorgestellt, ein weiterer Beitrag stammt von Manfred Kittel (siehe Buch-Nr. 40518). Ihre Stoßrichtung besteht – zugespitzt formuliert – darin, die Bedeutung der 68er-Bewegung für die gesellschaftliche und politische Entwicklung der Bundesrepublik zu marginalisieren. Alle Veränderungen werden stattdessen in langfristige Linien eingeordnet. Schildt (wie auch Gilcher-Holtey, die nur versöhnlicher im Ton ist) zerpflückt diese Argumentationen, die mit der fragwürdigen Behauptung anfangen, die Bedeutung der 68er sei – wie von Wengst einleitend behauptet – erst nachträglich von Akteuren wie Konservativen implementiert worden. Schildt enttarnt dies als Mythos und nennt die seiner Ansicht nach richtige Kausalkette: „Der wichtigste Grund dafür, warum sich eine ‚68er’-Generation in der Öffentlichkeit behauptet hat, liegt in der Zeit der 1960er-Jahre selbst als Zeitraum einer besonders dynamischen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Transformation.“ (92) Schildt hebt für die zeitgeschichtlich weiterführende Betrachtung die transnationale Perspektive sowie die der Projektzusammenhänge hervor – so kontextualisiert wird „deutlich, dass ‚68’ als Chiffre für die Hochphase eines längeren politisch-kulturellen Wandlungsprozesses zu verstehen ist“ (94). Nach einigen detaillierten, auf die einzelnen Studien bezogenen Ausführungen kommt Schildt zu dem nicht gerade schmeichelhaften Fazit, dass der Versuch, die Bedeutung des emanzipatorischen Aufbruchs der 68er zu minimieren, nur einer „geschichtspolitisch induzierten Annahme“ (101) folgt.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.313 | 2.331 | 2.36
Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Udo Wengst (Hrsg.): Reform und Revolte. München: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/33814-reform-und-revolte_40512, veröffentlicht am 01.12.2011.
Buch-Nr.: 40512
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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