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/ 20.06.2013
Hans-Peter Bartels

Victory-Kapitalismus. Wie eine Ideologie uns entmündigt

Köln: Kiepenheuer & Witsch 2005 (KiWi-Paperback 872); 230 S.; 8,90 €; ISBN 3-462-03481-2
Noch bevor der SPD-Vorsitzende Müntefering mit seinem Heuschrecken-Vergleich in der wirtschafts- und sozialpolitischen Debatte einen neuen Ton anschlug, hatte der Kieler Bundestagsabgeordnete Bartels seine Streitschrift zum „real existierenden Kapitalismus“ vorgestellt. Die „neue K-Frage“ ist für ihn vor allem eine Ideologiefrage: das marktradikale Denken greife weit über den ökonomischen Bereich hinaus. Für die „aktuellen Vertreter des Kapitals“ sei die Kapitalrendite „zur zentralen Maßeinheit gesellschaftlichen Wohlergehens geworden“ (29). Die Politik ist demgegenüber in die Defensive geraten, der Streit um politische Entscheidungen sei einer Rhetorik der Notwendigkeit und Alternativlosigkeit gewichen. Diese Entwicklung wird von Bartels, der in der SPD zur Gruppe der „Netzwerker“ gehört, in mehreren Durchgängen beklagt. Es geht um Unternehmer, die sich bereichern, um die verleugnete Konkurrenzfähigkeit des Standorts Deutschland, um die Förderung von Familien und die Armut in einer reichen Gesellschaft. Vieles ist anregend, insbesondere dort, wo Bartels wider den Stachel der eigenen Partei löckt, die seit 1998 Mit-Verantwortung für die vom Autor diagnostizierte Entwicklung trägt. Insofern gestattet das Buch einen Einblick in die schwierige Debatte über die sozialdemokratische Identität, die von der Agenda 2010 nur zurückgestellt, aber offenbar nicht beantwortet worden ist. Im Angesicht von zahlreichen Wahlniederlagen scheint die SPD einige der von Bartels aufgeworfenen Fragen jedenfalls ernster zu nehmen als zuvor. Welche konkreten Perspektiven sich mit dem von ihm avisierten neuen „dritten Weg“ verbinden, bleibt allerdings undeutlich. Wie eine Politik aussehen kann, die „links, aber nicht blöd“ sowie „sozial, demokratisch und marktwirtschaftlich“ (13) ist, wird überwiegend in Überschriften skizziert.
Wilhelm Knelangen (WK)
Dr., wiss. Ass., Institut für Sozialwissenschaften (Bereich Politikwissenschaft), Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.32.342 Empfohlene Zitierweise: Wilhelm Knelangen, Rezension zu: Hans-Peter Bartels: Victory-Kapitalismus. Köln: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/23515-victory-kapitalismus_26996, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 26996 Rezension drucken
CC-BY-NC-SA
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