Franklin Foer: Welt ohne Geist. Wie das Silicon Valley freies Denken und Selbstbestimmung bedroht
Der amerikanische Journalist und Autor Franklin Foer setzt sich kritisch mit den großen Technologiekonzernen und ihren Produkten auseinander. Er sieht einen direkten Zusammenhang zwischen der vertieften Verankerung digitaler Dienste im Leben jedes Einzelnen wie Apps, Suchmaschinen, Onlineshops und soziale Netzwerke und der Ausweitung von Konformismus und abnehmender intellektueller Ausdrucksfähigkeit. Beides sei eine Folge des Monopolstrebens der Internetkonzerne. Foer plädiert daher für eine bewusste Wertschätzung des gedruckten Wortes.
Inzwischen gibt es eine Vielzahl an Büchern, die sich kritisch mit dem Phänomen der Digitalisierung beschäftigen. Das unvermeidliche Zentrum dieser Analysen ist dabei die kritische Auseinandersetzung mit dem Silicon Valley, jener Region in Kalifornien, in der nahezu alle großen Technologiekonzerne ihren Firmensitz haben. Ihre Produkte sind zum Synonym der Digitalisierung geworden, aber auch Ausdruck von Monopolstreben, Freiheitsverlust und der Missachtung der Privatsphäre. Franklin Foer, amerikanischer Journalist und Autor, geht diesen Bedrohungen nach und versucht sie auf eine gemeinsame Formel zu bringen: Seine These lautet: „Die […] Technologiekonzerne [sind] im Begriff, etwas außerordentlich Wertvolles zu zerstören, und zwar die Möglichkeit des Nachdenkens. Sie schaffen eine Welt, in der wir fortwährend überwacht werden und abgelenkt sind“ (19). Foer sieht einen direkten Zusammenhang zwischen der vertieften Verankerung digitaler Dienste im Leben jedes Einzelnen, zum Beispiel durch Apps, Suchmaschinen, Onlineshops oder soziale Netzwerke und der Ausweitung von Konformismus und abnehmender intellektueller Ausdrucksfähigkeit. Gemeinsamer Ursprung dieser Entwicklung ist laut dem Autor das Monopolstreben der digitalen Konzerne: „Ein Monopol bedeutet, dass ein mächtiges Unternehmen seine Machstellung nutzt, um die Vielfalt der Meinungen und Geschmäcker zu beseitigen. Auf Konzentration folgt Gleichförmigkeit.“ (16) Wir seien dabei, „nicht nur mit Maschinen [zu] verschmelzen, sondern auch mit den Konzernen hinter diesen Maschinen“ (20).
Der Autor gliedert seine Argumentation in drei Bereiche: Zunächst beschreibt er in ausführlicher Weise die Ideologien der großen Technologiekonzerne, insbesondere von Google, Facebook und Amazon. Daran anknüpfend vertieft er ihre Positionen hinsichtlich der Bedeutung journalistischer, literarischer und allgemein kreativer Erzeugnisse im Weltbild dieser Firmen und zeigt dezidiert auf, wie eine Entwertung dieser Erzeugnisse mit dem wachsenden Erfolg dieser Firmen korreliert (insbesondere am Beispiel Amazons). Foer schließt seine Argumentation mit einem Plädoyer für eine bewusste Wertschätzung des geschriebenen Wortes und einer (partiellen) Abkehr von seiner digitalen Konsumtion. Er möchte dies vor allem als Lob auf die gedruckte Zeitung beziehungsweise das gedruckte Buch verstanden wissen. Seine Analyse ist interessant und eingängig, beinhaltet jedoch wenig Neues: Denn Googles technokratischer Posthumanismus, Facebooks infantiler Kollektivismus und Amazons radikal nivellierende Preispolitik sind beileibe keine neuen Probleme, sondern stehen bereits seit vielen Jahren im Fokus der Kritik. Foers Konzentration auf die Entwertung von – im weitesten Sinne kreativer Erzeugnisse –, wie zum Beispiel Bücher oder Magazinartikel, aber auch die Entwertung des objektiven Journalismus, vereint diese Kritik unter einem gemeinsamen Aspekt. Mit Leidenschaft und der Erfahrung des Praktikers berichtet Foer, was es bedeutet, wenn Texte, in denen sich die gesamte Fachkenntnis und Erfahrung eines Autors niederschlagen, zu bloßem Content für digitale Endgeräte umgedeutet werden. Mit der Entwertung des Inhaltes, der der maximalen Generierung von Klicks untergeordnet wird, setzt nicht nur eine Entwertung des Autors, sondern auch des Lesers ein. Denn da, wo sich Herausgeber und Autoren dem Diktat der schnelllebigen Aufmerksamkeit im Netz beugen müssen, verlieren sie ihre Fähigkeit zu erklären, einzuordnen und auszuwählen – kurz: Qualität zu produzieren. Dies untergräbt die Fähigkeit zur Meinungsbildung und zum unabhängigen Denken aufseiten der Nutzer, bestärkt die Konzerne jedoch in ihren monopolistischen Bestrebungen, wodurch Phänomene wie zum Beispiel das der Filterblase ihre Bedrohlichkeit erhalten.
Foers Analyse ist detailreich sowie von Sachkenntnis und persönlicher Erfahrung geprägt. Dennoch krankt sein Essay an zwei Stellen: zum einen an seinem unterkomplexen Begriff des Geistes, zum anderen in seiner Darstellung der politischen Folgen dieser Entwicklung. Obwohl Foers Beschreibung so richtig wie notwendig ist, lässt sich nicht der Eindruck vermeiden, dass der Autor nur an der Oberfläche dieser komplexen Phänomene gekratzt hat. So wird im Verlaufe der Analyse deutlich, dass Foer den Begriff des Geistes mit der Qualität kultureller Erzeugnisse gleichsetzt. Zwar sind diese absolut unentbehrlich, um selbstständiges Denken und Meinungsbildung zu kultivieren, dennoch lässt sich Geist nicht darauf reduzieren. Und so erstaunt es nicht, dass dem Begriff der Vernunft (und seiner ethischen Implikationen) in diesem Kontext kein Platz eingeräumt wird. Daher bleibt seine Analyse auf die Geschäftsmodelle der Konzerne beschränkt, ohne den Blick auf das Phänomen der Fake-News, des Hasses im Netz oder des inzwischen omnipräsenten Rechtspopulismus auszuweiten. Die digitalen Technologien sind zweifelsohne Katalysatoren für diese Entwicklungen, die inhärente Verbindung zwischen den Funktionen digitaler Dienstleistungen und der Affizierungsmacht des Schlechten im Netz bleibt jedoch in Foers Analyse im Dunkeln.
Daher bleibt auch Foers Betrachtung der politischen Folgen dieser Entwicklungen marginal. Er schreibt: „Genau wie Donald Trump kommt auch das Silicon Valley aus der großen amerikanischen Tradition des Scheinpopulismus. Auch wenn das Tal nicht mit demselben Furor auftritt wie der gegenwärtige Präsident der Vereinigten Staaten, verdankt es seinem Einfluss seiner antielitären Pose“ (114). Foer vertieft im Weiteren nicht diesen überaus problembehafteten Aspekt der US-amerikanischen Gesellschaft, sondern beschränkt sich darauf, über den potenziellen Einfluss von Facebook und anderen auf Wahlkämpfe zu spekulieren. Der Autor lässt dabei außer Acht, dass die eigentliche Gefahr nicht darin besteht, dass ein Unternehmen Wahlen zu seinen Gunsten beeinflussen könnte, sondern vielmehr darin liegt, dass die digitalen Dienste extrem anfällig für äußere Manipulationen aller Art sind. So werden weder der Wahlsieg Donald Trumps näher diskutiert noch die russischen Wahlmanipulationen oder die jüngsten Skandale um Facebook und sogenannte Troll-Fabriken näher analysiert. Zwar kritisiert Foer das Verhalten der Medien im US-amerikanischen Wahlkampf von 2016, erweitert seine Perspektive jedoch nicht auf das Publikum.
Es lässt sich festhalten, dass seine Analyse dort besonders eindrücklich und zutreffend ist, wo es um die direkten Auswirkungen digitaler Technologien auf die Produktion literarischer und journalistischer Erzeugnisse geht, die sich immer mehr in „billige Wegwerfprodukte“ (185) verwandeln. Auf der anderen Seite beschreibt der Autor die Folgen dieser Entwicklung für Intellekt, Vernunft und Demokratie nur am Rande. Sein Lob des Analogen und des gedruckten Wortes illustriert Foer mit einen Ausspruch des mittelalterlichen Mystikers Thomas von Kempen „In allem habe ich Ruhe gesucht und habe sie nirgends gefunden, außer in einer Ecke mit einem Buch“ (264). Es ist absolut richtig, wenn er dazu schreibt, dass „das Papier uns die Möglichkeit [gibt], uns von der Maschine zu befreien und unsere Menschlichkeit zu erfahren“ (268). Dieses Plädoyer erhält jedoch eine nostalgische Färbung, wenn gleichzeitig die Macht der digitalen Konzerne mit all ihren negativen Folgen nicht radikal beschnitten wird.
Demokratie und Frieden
Konferenzbericht
Auf der Suche nach einem neuen Narrativ. Gesellschaftspolitische Dimensionen der Digitalisierung – ein Problemaufriss
Der weltweit erfolgreichste Roboter im Einsatz ist der automatische Staubsauger – von der Übernahme der Weltherrschaft durch Künstliche Intelligenz (KI) dürften wir also noch weit entfernt sein. „Schafft der Mensch den Menschen ab?“ lautete trotzdem die leitende Frage einer Tagung, die die Zeit-Stiftung im April 2018 in Hamburg veranstaltete. Die Antwort fiel zwar unisono mit einem „Nein“ aus, deutlich wurde aber dennoch, dass wir am Beginn einer Zukunft stehen, in der die Digitalisierung der Arbeitswelt die Gesellschaft zwingt, sich neu zu finden.
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