Wer von Stoltenberg autobiographische Einblicke in die Gemütslage eines Spitzenpolitikers erwartet, wird zweifellos enttäuscht. Der Autor bleibt seinem Stil treu, der ihn auch in seiner aktiven Zeit gekennzeichnet hat, und verbirgt weitgehend persönliche Eindrücke. Im Vordergrund steht die Geschichte der Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik seit der Gründung der Bundesrepublik aus der Sicht eines Beteiligten. Dazu gehören die Meinungsbildungsprozesse und Konflikte in und zwischen Regierung und Opposition, ihre jeweiligen Absichten und die öffentlichen Reaktionen. Stoltenberg bleibt stets auf der Ebene der Bundespolitik und berichtet aus der Perspektive des Parteipolitikers. "Wendepunkte" wie das Mißtrauensvotum gegen Brandt 1972 und der Machtwechsel 1982 werden dabei jedoch nicht besonders herausgehoben, sondern eher dokumentarisch beschrieben; die Barschel-Affäre wird in acht Zeilen behandelt. Gerne führt Stoltenberg vor, selbst in der Sache Recht gehabt zu haben, z. B. mit seinen Warnungen vor einem Mißtrauensvotum gegen Brandt (208) oder mit seinem - diesmal erfolgreichen - Einsatz für die unionsinterne Strategie, nach der Bundestagswahl 1980 keinen Konfrontationskurs gegen die Bundesregierung im Bundesrat einzuschlagen, um die zerrüttete Koalition nicht wieder zusammenzuschmieden (268). Inhalt: 1. Am Anfang: Die soziale Marktwirtschaft als Idee und politische Handlungsmaxime; 2. Erste Richtungsentscheidungen nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland; 3. Wirtschafts- und Sozialpolitik in der Zeit des Aufbaus; 4. Finanzpolitik, Finanzreform und Geldpolitik in den fünfziger Jahren; 5. Der Weg zur Europäischen Gemeinschaft und die zweite Phase der Sozialen Marktwirtschaft; 6. Veränderte Erwartungen und Prioritäten im zweiten Jahrzehnt der Bundesrepublik; 7. Wirtschafts- und Finanzpolitik in den sechziger Jahren; 8. Stationen auf dem Weg zum ersten Machtwechsel 1969; 9. Sozialliberale Politik in Zeiten des Wachstums und der Krise; 10. Der Ausbau der Europäischen Gemeinschaft - Deutschland und die Veränderungen der Weltwirtschaft; 11. Von Brandt zu Schmidt - Kontinuität und Korrekturen; 12. Der zweite Machtwechsel - Wirtschafts- und Finanzpolitik der achtziger Jahre; 13. Neue Impulse für die Europapolitik und weltwirtschaftliche Veränderungen; Ein Ausblick: Der Standort Deutschland vor der Jahrhundertwende.