/ 22.06.2013
Reinhard Bispinck (Hrsg.)
Zwischen "Beschäftigungswunder" und "Lohndumping"? Tarifpolitik in und nach der Krise
Hamburg: VSA 2011; 149 S.; 12,80 €; ISBN 978-3-89965-468-4Die Tarifpolitik der Gewerkschaften war in den vergangenen Jahren maßgeblich durch die Finanz- und Wirtschaftskrise bestimmt. In den Tarifverhandlungen 2010 wurde der Schwerpunkt folglich auf Beschäftigungssicherung gesetzt und anstelle von Tariferhöhungen wurden vielfach pauschale Einmalzahlungen vereinbart. In diesem Band werden die Ergebnisse der Tarifrunde 2010 sowie die Strategien von Gewerkschaften und Arbeitgebern für einzelne Branchen dargestellt. Beispielsweise erläutert Kay Ohl die von der IG Metall geschlossenen Verträge „Zukunft in Arbeit“ sowie „Zukunft in Bildung“ und Christian Jungvogel stellt für die vom demografischen Wandel stark herausgeforderte Chemiebranche das „Krisenbündnis Chemie ‚Brücken für Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit’“ (38) dar. In mehreren Beiträgen geht es um tarifliche Abschlüsse im Niedriglohnsektor und um die Mindestlohndebatte. Allen, die sich nicht nur über die jüngste gewerkschaftliche Tarifpolitik, sondern auch über die Hintergründe der aktuellen Finanzkrisen in Irland, Griechenland und weiteren südeuropäischen Ländern informieren möchten, seien die beiden übergeordneten Beiträge über die lohnpolitische Position Deutschlands im europäischen Vergleich empfohlen. Thorsten Schulten fragt, ob der Vorwurf, dass Deutschland zulasten der europäischen Nachbarländer Lohndumping betreibe, gerechtfertigt ist. Zwar seien die zunehmenden wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa nicht allein auf die Lohnentwicklung zurückzuführen, doch, so führt Schulten aus, gehe es im Kern um die Steigerung der Binnennachfrage, von der auch die europäischen Nachbarn profitieren würden. Ähnlich argumentiert auch Gustav A. Horn, der den „Kern des Problems“ (59) darin begründet sieht, dass die deutsche Wirtschaftspolitik auch nach dem Beginn der Währungsunion und dem damit verbundenen Wegfall von Wechselkursen weiterhin am Exportmodell ausgerichtet ist. Zudem fehle dem Stabilitäts- und Wachstumspakt mit seiner alleinigen Konzentration auf die Staatsverschuldung „ein geeigneter Signalgeber für Fehlentwicklungen im Privatsektor“ (71). Deutschland komme „als großem Überschussland“ für die Rettung des Euroraums eine besondere Verantwortung zu und es liege auch im ureigensten Interesse des Landes, die binnenwirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Dazu seien, so Horn, „am Verteilungsspielraum orientierte Lohnsteigerungen und in der derzeitigen Situation steuerfinanzierte Ausgaben für Bildung und öffentliche Investitionen nötig“ (77).
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.342 | 2.331 | 3.5
Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Reinhard Bispinck (Hrsg.): Zwischen "Beschäftigungswunder" und "Lohndumping"? Hamburg: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/33920-zwischen-beschaeftigungswunder-und-lohndumping_40649, veröffentlicht am 01.09.2011.
Buch-Nr.: 40649
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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