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Rezension / 28.01.2019

Madeleine Albright: Faschismus. Eine Warnung

Köln, Dumont Verlag 2018

Madeleine Albright beobachtet Warnzeichen für einen Umbruch der westlichen Demokratien hin zu einem wachsenden Autokratismus. Auslöser sei, dass sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten viele Bürger*innen unzufrieden mit den Institutionen, Akteuren und Verfahren seien. Wie und mit welchen historischen Anleihen Populisten aller Coleur darauf reagieren, ist das Thema ihres Bandes. Als analytisches Werkzeug nutzt sie den Begriff des Faschismus, der bewusst unscharf bleibt und mit dem sie keine Ideologie bezeichnet, sondern Anzeichen für eine Veränderung der demokratischen Kultur benennt – insbesondere auch in den USA unter Präsident Trump.

Der Charakter des Buches lässt sich noch vor dem Aufschlagen am Untertitel erkennen: Madeleine Albright beobachtet Warnzeichen für einen Umbruch der westlichen Demokratien, der ihrer Meinung nach auf einen wachsenden Autokratismus hinweist. Mit einer (eigenwilligen) Komposition aus historisch-biografischen Rückblicken, persönlichen Schilderungen aus ihren Tagen als US-amerikanische Außenministerin (von 1997 bis 2001) und Beobachtungen zum Zeitgeschehen umkreist sie diese politische Gefahr für den freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaat.

Sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten seien viele Bürger*innen unzufrieden mit den demokratischen Institutionen, Akteuren und Verfahren. Auf welche Weise und mit welchen historischen Anleihen Populisten aller Coleur darauf reagieren, ist das eigentliche Thema ihres Bandes. Als analytisches Werkzeug nutzt sie den Begriff des Faschismus, der bewusst unscharf bleibt, die (wissenschaftliche) Abgrenzung von Nationalsozialismus, Kommunismus, Totalitarismus und Nationalismus verweigert, aber für ein Mahnen umso geeigneter scheint.

Albright versteht unter Faschismus keine Ideologie, eher vereinigt sie darunter die Anzeichen für eine Veränderung der demokratischen Kultur. Er ist ein Mittel, ein Stil, um Macht zu erringen und zu erhalten: „Eine Verfassungsänderung wird als Reform getarnt, Angriffe auf die freie Presse verbergen sich hinter Sicherheitsbelangen, die Denunziation von Mitbürgern wird als Verteidigung der guten Sitten verkauft, und das demokratische System wird so stark ausgehöhlt, dass außer dem Etikett nichts übrig bleibt. Wir wissen aus Erfahrung, dass der Faschismus und die Tendenzen, die ihm den Weg bahnen, ihre Nachahmer finden. Wenn wir uns in der Welt von heute umschauen, sehen wir angehende Autokraten“ (140). Es ist die Sorge um den Erhalt der Demokratien, die Albrights mitunter fliegende Feder beflügelt, und die Furcht vor einem geistigen Klima wie in den späten 1920er- und 1930er-Jahren, das in einer unwiderruflichen Zerstörung der Demokratie enden könne.

In siebzehn Kapiteln begibt sich die Autorin auf die Suche nach den Erfahrungen im 20. Jahrhundert und den Nachahmern in der Gegenwart. Zu den historischen Rückblicken im vorderen Teil gehört ein Abriss zum Italien Benito Mussolinis und zum Deutschland Adolf Hitlers, deren „Wut auf die Welt“ sie mit einem Drang nach politischer Macht kombiniert sieht, ohne die historischen Details weiter zu unterfüttern. Folgt man ihr, kommt es darauf jedoch nicht an.

Mit einem Sprung zum Ende des Kalten Krieges setzt Albright bei ihrem Amtsantritt als Außenministerin im Kabinett Bill Clintons an. Nun mischen sich die Beschreibungen von Charakterzügen einzelner Regierungschefs mit Erinnerungen an internationale Verhandlungen und Gespräche. Gefahren einer ausgehöhlten Demokratie oder Anzeichen eines modernen Faschismus identifiziert sie unter anderem in Venezuela, der Türkei, Russland, Nordkorea, Ungarn und Polen.

Jene Kapitel gleichen kursorischen Skizzen, um ihre Beobachtung breiter zu belegen, gehen aber nicht darüber hinaus. Wiederum sucht sie nach einem Herrschaftsstil, ohne einen Vergleich zu unternehmen. Nach nochmals kürzeren Verweisen auf die Bundesrepublik Deutschland, in der Albright die Wahlerfolge der Partei Alternative für Deutschland als Zeichen einer Desintegration und Abschottung wahrnimmt, aber auch auf das Land ihrer Eltern,Tschechien, erkennt sie eines der prägnantesten Muster in den USA – nach dem Amtsantritt Donald Trumps.

Inszeniere sich Wladimir Putin als Heilsbringer und starker Staatenlenker, beschränke sich Trump in seiner Außen- und Sicherheitspolitik darauf, seine Bewunderung dafür zum Ausdruck zu bringen, um selbst mit mangelndem Respekt vor der Wahrheit und dem demokratischen Gegenüber sowie mit menschenverachtenden Äußerungen eine Politik anzustoßen, die faschistisch sei. Dies gelte noch einmal mehr für sein zerstörerisches Werk in den internationalen Beziehungen: „Dass Trumps Sichtweise so trübselig ist, liegt auch daran, dass sie keinen Anreiz für Freundschaft bietet. Wenn jede Nation nur im Sinn hat, alle anderen zu übertrumpfen, kann es kein Vertrauen geben, keine besonders engen Beziehungen, keinen Lohn für Hilfsbereitschaft und keine Strafe für Zynismus.“ (256)

Noch einmal wird deutlich, mit welcher Verve die Politikwissenschaftlerin und Politikerin Albright voranschreitet. Ihre Warnung ist mit einem imaginären Ausrufezeichen versehen. Man mag ihren Band für oberflächlich halten, ihr ein Kratzen an der Oberfläche ohne tieferen wissenschaftlichen Gehalt vorwerfen, kann sie aber auch im Sinne einer textlichen Intervention verstehen.

 

CC-BY-NC-SA
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