Dominik Meier / Christian Blum: Logiken der Macht
Die beiden Autoren, tätig als Politikberater, diskutieren in ihrem Buch drei zentrale Fragen von Macht: „Was ist das Wesen der Macht? Was sind ihre Erscheinungsformen und Felder? Wie wird sie in der politischen Praxis ausgeübt und legitimiert?“ Konzentriert auf die wesentlichen Wirkungsfelder der Macht – Religion, Wirtschaft und Politik – werden die Mechanismen ihrer Ausübung detailliert aufgezeigt und Handreichungen zur Strategieentwicklung gegeben.
Die beiden Autoren, tätig als Politikberater, diskutieren in ihrem Buch drei zentrale Fragen von Macht: „Was ist das Wesen der Macht? Was sind ihre Erscheinungsformen und Felder? Wie wird sie in der politischen Praxis ausgeübt und legitimiert?“ (10) Mit der Definition des Machtbegriffes beginnend, beziehen sie sich auf die wichtigsten politischen Denker und fragen nach der Charakterisierung von Macht. Ihr Wesen sei grundsätzlich in den unterschiedlichsten Formen anzutreffen und könne bewusst wahrgenommen oder unbewusst wirken. So äußere sich Macht in Militärparaden, in parlamentarischen Beschlüssen oder einer simplen Verkehrskontrolle.
Um die Schwierigkeiten einer Definition aufzuzeigen, führen die Autoren Max Weber an, der erklärte, dass der Machtbegriff „soziologisch amorph“ sei. Das Ziel, eine Annäherung an das Wesen der Macht zu erreichen, gelingt den Autoren, indem sie zwischen der „Macht zu“ und der „Macht über“ unterscheiden (20). Dabei ist positiv hervorzuheben, dass neben europäischen Theoretikern auch Philosophen der chinesischen Dynastien und Denker des mittelalterlichen Islams Erwähnung finden. Das zweckbestimmte Handeln (Macht zu) sei laut Aristoteles als „Vermögen eines Organismus […], sich selbst oder andere Dinge zielgerichtet zu verändern“ zu begreifen (20). Dieses Verständnis wurde beibehalten und um den Zusatz erweitert, dass ein Akteur bereits über Macht verfügt, wenn er sein Unterfangen mit einem beabsichtigten Effekt wahrscheinlich macht.
Dagegen sei der Ursprung des Machtverständnisses, in dem die Kontrolle über andere eine vorherrschende Position hat, bei Machiavellis Klassiker „Der Fürst“ zu finden. Als bekannte Definition habe sich jedoch Max Webers Verständnis durchgesetzt: den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen. Die beiden wichtigen Komponenten der Machtausübung gegenüber anderen Personen seien somit der konkrete Wille und ein potenzieller Widerstand. Dieser Dualismus der Machtkonzepte finde sich ferner im Kontext der klassischen chinesischen Ethik von Laotse und Konfuzius.
Während Macht in diesem Zusammenhang besonders weltlich gedacht ist, habe er im Diskurs der islamischen Denker einen religiösen Bezug bekommen und sei in das religiöse Weltbild des Islams eingebunden worden. Die Autoren weisen darauf hin, dass das erstgenannte Konzept der Macht (zu) eine enorm große Bandbreite an Phänomenen einschließt und somit im Vergleich zum Macht-über-Konzept eine geringere Präzision besitzt. Zur Konkretisierung dieser Frage erläutern Dominik Meier und Christian Blum, wie Macht auftritt und in welchen Phänomenen sie sich manifestiert. Zwischen dem Wesen der Macht und dem der Menschen existiert eine Interdependenz, die zum Bestehen des Einzelnen notwendig sei. Deshalb wirke Macht nicht nur in klassischen Gebieten wie der Politik, sondern der Mensch sei in jeder sozialen Beziehung Macht ausgesetzt.
Im nächsten Abschnitt thematisieren die Autoren, wie Macht konkret ausgeübt wird und unterscheiden zwischen bekannten Phänomenen, wodurch der Begriff stark an Konturen gewinnt. Hierzu gehören die „Aktionsmacht, instrumentelle Macht, autoritative Macht sowie datensetzende oder technische Macht“ (74). Die Aktionsmacht bildet in dieser Kategorisierung die direkteste Form von Macht, die die Fähigkeit einer oder mehrerer Personen einschließt, Maßnahmen durchzuführen, wodurch Menschen zu körperlichen, sozialen oder ökonomischen Schaden kommen.Instrumentelle Macht bedeutet das erfolgreiche und gezielte Beeinflussen von Verhalten anderer Menschen durch glaubhafte Drohungen. Die Form der Machtausübung kann eine positive (Hoffnung erweckende) oder negative (Furcht erzeugende) Androhung sein. Ein wichtiger Faktor in diesem Zusammenhang sei die Glaubhaftigkeit der Androhung, wovon die angedrohte Handlungskompetenz abhänge.Die dritte, autoritative, Machtform besitze eine besondere Nähe zur chinesischen Staatskunst, die in Form dauerhafter Herrschaft auf dem Prinzip des moralischen Vorbildcharakters beruhe. Diese Machtform funktioniere in der Weise, dass andere Personen durch die Fähigkeit kontrolliert werden, ihre Bedürfnisse nach Anerkennung und Orientierung zu lenken. Falls über diese Machtkategorie verfügt werden kann, sei die Anwendung der beiden erstgenannten Machtformen nicht notwendig. Die vierte Form der Macht, die datensetzende oder technische Macht, zeichnet sich durch die Fähigkeit aus, Personen durch die Modifizierung ihrer natürlichen und nicht-natürlichen Lebensbedingungen zu beeinflussen. Als Beispiel nennen die Autoren die Inbesitznahme eines Grundstücks, dessen Anerkennung bedeute in diesem Zusammenhang technische Machtausübung.
In den folgenden Kapiteln fragen die Autoren nach dem Wirkungsort und den Machtfeldern. Zur Sprache kommen die Felder Religion, Wirtschaft und Politik, womit sie sich auf die wichtigsten Machtfelder konzentrieren. Die detaillierte Beschreibung des Zusammenspiels von Macht und dem jeweiligen Feld vermittelt einen Eindruck über die Wirkung von Macht. Dies wird ergänzt durch konkrete Beispiele, in denen Macht im religiösen, ökonomischen und politischen Sinne fassbar gemacht wird.
Anknüpfend an das Feld der politischen Macht erklären die Autoren, worin sich Macht in diesem Gebiet gründet. Die drei identifizierten Mechanismen zur Machtausübung bezeichnen sie als Vektoren, die durch „Wissen, Kompetenz und Instrumente“ gebildet werden. Die Ausführungen hierzu enthalten Bezüge zur Theorie und Geschichte der Machtausübung, während das dritte und letzte Kapitel gänzlich auf die praktischen Bezüge ausgerichtet ist und sich an alle Akteure orientiert, für die Macht ein essenzieller Faktor in der Berufsausübung darstellt.
Hierzu unterscheiden die Autoren zwischen dem homo consultandus und dem homo consultans. Der erstgenannte Typ zeichne sich dadurch aus, dass er sich selbst in einer Machtposition befindet und vom zweitgenannten Typ beraten wird. Der homo consultans sei „der beratende Macht-Experte“ und könne in verschiedenen Tätigkeitsbereichen zu finden sein (275). Hierzu wird – ummantelt von einem abstrakten Modell – ausgeführt, welche Fähigkeiten für Berater*innen von Bedeutung sind. Vor allem gelte es, Kräfteverhältnisse einzuordnen und eigene Strategien erfolgreich zu gestalten. Darüber hinaus lenken die Autoren die Aufmerksamkeit auch auf die praktische Interaktion der/des Beratenden mit den Kund*innen, deren Fähigkeiten korrekt eingeschätzt werden müssen. Neben diesen Voraussetzungen zum Verständnis der Aufgaben der Politikberatung wird in den letzten Unterkapiteln Bezug zur Strategieentwicklung genommen. So wird etwa aufgezeigt, welche Elemente (politische Akteure, Themen, Standards und Trends der politischen Arena) in einem konkreten Feld – dies kann ein klassisches Politikfeld wie die Verkehrspolitik sein – berücksichtigt werden müssen. Darauf aufbauend wird ein Handlungskatalog präsentiert, mit dem eigene Vorhaben entwickelt und realisiert werden können.
Insgesamt bietet das Buch einen fundierten Überblick über die theoretischen und praktischen Zugänge zum Thema Macht. Es eignet sich einerseits für Studierende, die ein praxisbezogenes Werk zum ideengeschichtlichen Machtthema suchen und andererseits für Personen, die in beratenden Berufen tätig sind und mehr über das Handwerk zum Prinzip der Macht erfahren wollen.
Repräsentation und Parlamentarismus
Aus der Annotierten Bibliografie