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/ 22.06.2013
Moshe Zuckermann

"Antisemit!" Ein Vorwurf als Herrschaftsinstrument

Wien: Promedia 2010; 208 S.; brosch., 15,90 €; ISBN 978-3-85371-318-1
Der in Tel Aviv lebende Professor für Geschichte und Philosophie widmet sich einem heiklen Thema: Der Antisemitismus sei eine der zerstörerischsten Ideologien des 20. Jahrhunderts gewesen, schreibt er, heutzutage aber werde der Vorwurf des Antisemitismus inflationär verwendet. Zuckermanns These ist, dass die Verwendung des Begriffs als Parole im Kampf gegen den Antisemitismus zu einer Epidemie umgeschlagen sei, wobei der Vorwurf des Antisemitismus schon lange als ideologisches Totschlagargument politisch-moralischer Gutmenschen diene. Dabei treten nach Ansicht von Zuckermann demokratiepolitisch gefährliche Entwicklungen zutage, etwa wenn Gegner der israelischen Vertreibungs- und Kriegspolitik unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Antisemitismus Auftritts- und Diskussionsverbote erhalten. Die Darstellung dieser Entwicklung steht im Mittelpunkt des Buches. Zuckermann bedient sich methodisch der Diskursanalyse und untersucht in einem komparativen Ansatz zwischen Israel und Deutschland die Ursachen und Auswirkungen dieser neuen Ideologie, in der der Vorwurf, Antisemit zu sein, als Herrschaftsinstrument eingesetzt werde. Im Abschnitt über Israel konzentriert sich Zuckermann auf gegenwärtige Kontroversen. So analysiert er die Rede Netanjahus vor der UNO und fragt nach den Gründen für die Instrumentalisierung der Shoah. Sein Zwischenfazit lautet, dass die ideologische Funktion des Vorwurfs des Antisemitismus tief in der politischen Kultur Israels verwurzelt sei. Der Vorwurf des Antisemitismus diene als Instrument, um aufkommende Kritik an Israel abzuwehren. Diesen Sachverhalt vermittelt Zuckermann insgesamt in einer unaufgeregten Analyse nachvollziehbar und erklärt so auf der Basis einer profunden Kenntnis der Thematik diese Ideologie der Kritikerverstummung schlüssig. Polemische Aussagen sind dabei ebenso wenig anzutreffen wie die Verortung im klassischen Freund/Feind-Schema. In seinem zweiten Kapitel beleuchtet er die Entwicklung in Deutschland. Dabei macht er neben der historischen Belastung drei Kriterien für eine aufkeimende ähnliche Ideologie verantwortlich – ausufernde Hysterie, Selbstzensur und ähnlich wie in Israel eine fehlende kontroverse Auseinandersetzung zu diesem Thema im linken Parteispektrum.
Mario-Gino Harms (MGH)
Dipl.Pol., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.232.632.35 Empfohlene Zitierweise: Mario-Gino Harms, Rezension zu: Moshe Zuckermann: "Antisemit!" Wien: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/32694-antisemit_39031, veröffentlicht am 11.01.2011. Buch-Nr.: 39031 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
CC-BY-NC-SA
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