/ 03.06.2013
Wolfgang Schäuble / Rudolf Seiters (Hrsg.)
Außenpolitik im 21. Jahrhundert. Die Thesen der Jungen Außenpolitiker
Bonn: Bouvier Verlag 1996; 296 S.; geb., 39,80 DM; ISBN 3-416-02607-1Entsprechend der in der Einleitung skizzierten Vielzahl außenpolitischer Herausforderungen in der neuen Unübersichtlichkeit nach der Blockkonfrontation behandeln die 21 Beiträge eine breite Themenpalette: von der Wirtschafts- und Währungsunion über die Zukunft der NATO bis hin zu den bilateralen Beziehungen der Bundesrepublik zu Frankreich, Polen, Rußland, Israel und China (Großbritannien und die Tschechische Republik fehlen interessanterweise). Die grundsätzliche Richtung ist durch die den Beiträgen vorangestellten Thesen der Jungen Außenpolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vorgegeben. Hier findet sich in breiter Prosa zumeist Altbekanntes: das Kerneuropa-Konzept des Schäuble/Lamers-Papiers (unter dem Etikett der differenzierten Integration), die Forderung nach Reform und Öffnung der NATO sowie die nach einer Stärkung der deutschen Position im UN-Sicherheitsrat. Interessanter sind einige der Einzelbeiträge, darunter Altmaiers Plädoyer für eine Austrittsklausel im zukünftigen EU-Vertragswerk sowie Koschyks erfrischend nüchterner Blick auf die Leistungsfähigkeit der OSZE und des Europarats, denen er dennoch eine wesentliche Rolle in einer gesamteuropäischen Friedensordnung zugedenkt. Zu den unbequemen, weil auch gegenüber der eigenen Partei kritischen Beiträgen zählen die von Krautscheid und Ruck. Während ersterer den geringen Stellenwert von Menschenrechtsfragen in der Politik der Union sowie deren gelegentlich leichtfertige Unterordnung unter wirtschaftliche Interessen bemängelt, fordert Ruck eine qualitative und quantitative Steigerung der Entwicklungshilfe ein.
In seiner Gesamtheit verdeutlicht der Band – ungeachtet der zahllosen Kohl-Zitate –, daß die Union im außenpolitischen Bereich nicht zu einem Kanzlerwahlverein geworden ist, sondern über eine Reihe kompetenter und kreativer (Nachwuchs-)Politiker verfügt. Wenn Schockenhoff eine begrenzte Integrationsfähigkeit europäischer Gesellschaften konstatiert, während Pflüger die Vision eines offenen Europas jenseits "der nationalistischen Konkurrenz von Stammes- und Blutgemeinschaften" (192) formuliert, wird hinter der vermeintlichen christdemokratischen Einheitsfassade ein innerparteilicher Pluralismus sichtbar, von dem der eine oder andere Impuls für die deutsche Außenpolitik im 21. Jahrhundert zu erhoffen ist.
Inhalt: Außenpolitik im 21. Jahrhundert: Die Thesen der Jungen Außenpolitiker (29-77); Christian Schmidt: Friede für Europa im 21. Jahrhundert. Strukturelemente einer europäischen Friedensordnung (79-88); Gerd Müller: Europa 21. Aus der Vergangenheit begründet, für die Zukunft gestaltet (89-97); Peter Altmaier: Der Turmbau zu Babel? Zur künftigen politischen und institutionellen Gestalt der Europäischen Union (99-109); Friedrich Merz: Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (111-121); Andreas Schockenhoff: Deutschland und Frankreich (123-132); Ruprecht Polenz: Der Nordatlantik ist ein Binnenmeer. Zur Zukunft des transatlantischen Verhältnisses (133-141); Klaus Dieter Reichardt: Partnerschaftliche Führungsverantwortung. Deutschland, die USA und die Zukunft der NATO (143-151); Michael Stübgen: "Wir kehren heim nach Europa" (153-162); Karl A. Lamers: Die Öffnung der NATO. Mehr Sicherheit und Stabilität für Europa (163-171); Jürgen Augustinowitz: Armee in der Demokratie. Die Bundeswehr als Modell für die Staaten in Mittel- und Osteuropa (173-182); Friedbert Pflüger: Polen – unser Frankreich im Osten (183-192); Kersten Wetzel: Eine besondere Partnerschaft mit Rußland (193-201); Helmut Jawurek: Der "Fall Jugoslawien" (203-211); Hartmut Koschyk: OSZE und Europarat. Unverzichtbare Bestandteile der gesamteuropäischen Friedensordnung (213-221); Hermann Gröhe: Frieden im Nahen Osten. Zum Beitrag der deutsch-israelischen Beziehungen (223-232); Claudia Nolte: China – Ein Riese erwacht (233-240); Andreas Krautscheid: Unbequem und unverzichtbar. Zur Bedeutung der Menschenrechte für die Außenpolitik der Union (241-248); Armin Laschet: Plädoyer für eine globale Politik (249-258); Christian Ruck: Zukunftssicherung durch Entwicklungspartnerschaft und gemeinsame Umweltpolitik (259-267); Eckart von Klaeden: Der Auftrag von Kairo (269-277); Claus-Peter Grotz: Dialog statt Kampf der Kulturen. Auswärtige Kulturpolitik als "soft power" (279-288).
Michael Edinger (ME)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Sonderforschungsbereich 580, Universität Jena (www.uni-jena/svw/powi/sys/edinger.html).
Rubrizierung: 4.21 | 4.3 | 3.1 | 3.5 | 2.324 | 2.62 | 4.42 | 4.45
Empfohlene Zitierweise: Michael Edinger, Rezension zu: Wolfgang Schäuble / Rudolf Seiters (Hrsg.): Außenpolitik im 21. Jahrhundert. Bonn: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/2103-aussenpolitik-im-21-jahrhundert_2562, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 2562
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M. A., wiss. Mitarbeiter, Sonderforschungsbereich 580, Universität Jena (www.uni-jena/svw/powi/sys/edinger.html).
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