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/ 18.09.2014
Thomas Zaugg

Blochers Schweiz. Gesinnungen, Ideen, Mythen

Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung 2014; 230 S.; 39,- €; ISBN 978-3-03823-885-0
Lizentiatsarbeit Zürich; Begutachtung: G. Kohler. – Der SVP‑Politiker Christoph Blocher polarisiert in der Schweiz wie kaum ein anderer Politiker: Während er einigen aufgrund seiner Betonung des Vaterländischen sowie seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Beitritt des Landes zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) als nationalkonservativ und ‚unschweizerisch‘ gilt, sehen andere in ihm einen volksnahen Politiker der klaren Worte, die er auf rhetorisch brillante Art und Weise darzubieten vermag. Trotz dieser zwiegespaltenen Einschätzungen ist zu konstatieren, dass Blocher intensiver als viele andere Politiker die Schweiz der vergangenen zwei Jahrzehnte prägte und es ihm gelang, durch sein starkes Eintreten für ein Nein zum Beitritt der Schweiz in den EWR, die politische Rechte um sich zu versammeln. Thomas Zaugg macht es sich in seiner überarbeiteten Lizentiatsarbeit zur Aufgabe, die mentalitätsgeschichtlichen Voraussetzungen für den in den 1990er‑Jahren erfolgten Aufstieg der Nationalkonservativen in der Schweiz nachzuzeichnen, deren lauteste Stimme Blocher ist. Zaugg beginnt seine gut lesbare Darstellung in den 1930er‑Jahren, in denen Personen wie Philipp Etter, Emil Egli, Peter Dürrenmatt, Georg Thürer, Karl Schmid und Leonhard von Muralt je eigene und nicht in allen Punkten zusammenpassende Vorstellungen von der Schweiz entwickelten. Diese Differenzen seien während der Bedrohung durch Nationalsozialismus und Kommunismus vernachlässigt und stattdessen auf eine politische Poesie zurückgegriffen worden, die „das providenzielle Gotthardgebiet der Kulturbotschaft, den sprechenden Bundesbrief, allerlei Mitten und Keime, die Schwebebahn, die Höhenstrasse oder [die Kinderbuchfigur] Globi“ (39) beinhaltete. Wenngleich diese in der Idee der sogenannten Geistigen Landesverteidigung sich bündelnden Motive nicht widerspruchsfrei ineinandergreifen, sei mit ihnen doch das Bild von einem basisdemokratischen, überparteilich zusammenhaltenden und neutralen Kleinod gezeichnet worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei die widersprüchliche Einheit auseinandergebrochen, die divergierenden Ansichten hätten mehr oder weniger im Untergrund geschlummert. In dieses ‚geistige‘ Vakuum sei Blocher gestoßen, er habe Teile der entworfenen Mythen revitalisiert und dadurch die Schweiz nachhaltig geprägt.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.52.222.23 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Thomas Zaugg: Blochers Schweiz. Zürich: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37545-blochers-schweiz_45706, veröffentlicht am 18.09.2014. Buch-Nr.: 45706 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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