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/ 11.06.2013
Ulla Philipps-Heck (Hrsg.)

Daheim im Exil. "Orientalische" Juden in Israel

Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag 1998 (Schriftenreihe des Deutsch-Israelischen Arbeitskreises für Frieden im Nahen Osten e. V. 31); 150 S.; 29,80 DM; ISBN 3-87920-420-9
Der Sammelband israelischer Wissenschaftler, Journalisten und Schriftsteller will nach Aussage der Herausgeberin eine Lücke im Bereich der deutschsprachigen Publikationen schließen. Die Aschkenazim (d. h. die Juden mittel- beziehungsweise osteuropäischer Herkunft) standen über viele Jahre im Mittelpunkt deutschen Interesses, was einerseits damit zu tun hat, dass das Verhältnis der Bundesrepublik zu Israel von der Geschichte und dem Leiden des europäischen Judentums geprägt ist (7), aber zugegebenermaßen auch der Tatsache geschuldet ist, dass die Aschkenazim zumindest bis Anfang der 90er-Jahre die politische Landschaft Israels dominierten. Die Wahl eines irakischen Juden, Moshe Katzav, zum Staatspräsidenten Israels im vergangenen August spiegelt exemplarisch die Veränderungen wider, die die israelische Gesellschaft seit den großen Einwanderungswellen orientalischer Juden (Mizrahim) aus den Mittelmeerländern und Ländern des Nahen und Mittleren Ostens in den 50er- und 60er-Jahren durchlaufen hat. Das nicht immer problemfreie Verhältnis zwischen Aschkenazim und Mizrahim darzustellen sowie der Versuch einer Definition von israelischer Identität (arabisch vs. jüdisch; orthodox vs. säkular) und Herausforderungen bei der Überwindung der Ethnizität sind Hauptanliegen der Beiträge. Neben Problemen bei der sozialen Integration, d. h. ihre Ansiedlung in so genannten Entwicklungsstädten wie Zafed oder Kiryat Shemona, sahen sich die Mizrahim vor allem dem kulturellem Druck von Seiten der Aschkenasim ausgesetzt, denn man betrachtete sie, so Ballas, als "Angehörige einer minderwertigen Kultur und damit als minderwertige Menschen" (35). Der Soziologe Smooha untersucht die Auswirkungen der israelischen Politik der "ethnisch geprägten Schichtenbildung" (43) im Zusammenhang mit der Dezentralisierung der Bevölkerung, derzufolge die jüdische Präsenz in den Randgebieten des Landes erhöht und die Verteidigungsbereitschaft sichergestellt werden sollte (45), auf die ethnische Lage der Mizrahim. Er kommt zu dem Schluss, dass sich die "bestehende Kluft zwischen den ethnischen Gruppen durch die neue jüdische Masseneinwanderung aus der Ex-Sowjetunion wahrscheinlich verschärfen" wird (57). Der Ungleichheit zwischen den Juden in Israel geht der Beitrag von Swirsky anhand einzelner sozialer und kultureller Bereiche wie Wohnbedingungen, Wohnraumpolitik und Immobilienpreise sowie Leistungen im Bildungs- und Berufssektor, Arbeitslosigkeit etc. nach und stellt fest, dass soziale Diskrepanzen zwischen Aschkenazim und Mizrahim nicht "automatisch" verschwinden werden, sondern wesentlich vom Erfolg orientalisch-jüdischer Interessengruppen abhängen, die in den vergangenen Jahren entstanden sind (93 f). Klein Halevis Beitrag beleuchtet die Situation der äthiopischen Juden (Falaschas) nach ihrer Verbringung nach Israel Anfang der 80er-Jahre bis 1991. Seit der Staatsgründung, so Klein Halevi, hat keine Bevölkerungsgruppe so große Opfer gebracht, um nach Israel zu kommen, wie die Äthiopier. Dennoch vermochte bislang weder die Regierung (von Maßnahmen im Wohnungsbereich abgesehen) noch die Jewish Agency mit einem Programm aufzuwarten, dass den Äthiopiern bei der Integration hilft (128 f.). Im Kern der Debatte um die Definition der israelischen Identität geht es aber um mehr: Es geht um die Umsetzung des ambitionierten Projektes einer Trennung von Staat und Religion zusammen mit einer Politik der nationalen Einheit, die allen gesellschaftlichen Gruppen gleiche Rechte und Pflichten garantieren soll. Damit das Israel des Jahres 2025 nicht zu einem "Sklaven-Schiff im Sturm wird, das zu zerschellen droht" (FAZ, 1.7.00), gilt es, die überkommene Identitätsbeschreibung mit einer Staatsnation in Einklang zu bringen, die weder eindeutig aschkenasisch, mizrahisch oder arabisch noch eindeutig religiös oder säkular ist. Inhalt: Nissim Rejwan: Bezeichnungen und ihre Bedeutung. Notizen zur israelischen Kultur (11-31); Shimon Ballas: "Ich bin ein arabischer Jude." (32-38); Sammy Smooha: Jüdische Ethnizität in Israel (39-59); Barbara Swirsky: Ungleichheit unter den Juden in Israel (60-96); Nissim Rejwan: Orientalische Juden und die Polarisierung zwischen orthodoxem und säkularem Judentum in Israel (97-105); Ella Shohat: Die orientalisch-jüdische feministische Bewegung (106-123); Yossi Klein Halevi: Der verlorene Stamm. Fünf Jahre äthiopische Juden in Israel (124-134).
Dirk Märten (DM)
Rubrizierung: 2.632.672.23 Empfohlene Zitierweise: Dirk Märten, Rezension zu: Ulla Philipps-Heck (Hrsg.): Daheim im Exil. Schwalbach/Ts.: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/11348-daheim-im-exil_13453, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 13453 Rezension drucken
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