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/ 11.06.2013
Colin Goldner

Dalai Lama - Fall eines Gottkönigs

Aschaffenburg: Alibri Verlag 1999; 456 S.; kart., 39,- DM; ISBN 3-932710-21-5
Der Autor stellt mit einem Rundumschlag nicht nur alle gängigen Meinungen zum Thema Tibet in Frage, sondern verkehrt einige von ihnen gerade ins Gegenteil. Dem von Menschenrechtsorganisationen und Regierungen aller Welt immer wieder gern empfangenen Friedensnobelpreisträger werden seinerseits Menschenrechtsverletzungen, Gewaltanwendung, vorsätzliche Geschichtsfälschung und üble Propaganda vorgeworfen. Der Dalai Lama sowie dessen Unterstützerorganisationen inszenieren bewusst Gräuelgeschichten, die entweder unwahr seien oder bereits Jahrzehnte zurücklägen, um die Chinesen "als ein Volk brutaler Folterknechte darzustellen" (267). Berichte über massenhafte Verschleppungen, Inhaftierungen und systematische Folterung seien "ohne jeden tragfähigen Beleg" (261) oder nachweislich falsch. Goldners Belege für seine Vorwürfe scheinen ebenso dürftig zu sein, auch wenn er offensichtliche Widersprüche im offiziellen Zahlenmaterial der tibetischen Exil-Regierung aufdeckt. Nahezu zynisch jedoch muten Vergleiche an, wonach unzumutbare Haftbedingungen sowie "sadistische Gewalt den Alltag sämtlicher Knäste in sämtlichen Ländern (nicht nur) der Dritten Welt" (261) beherrschten. Auch wenn es nicht um Relativierung behördlicher Willkür und Gewalt gehe, erwähnt der Autor in einem Nebensatz noch schnell, dass sich das "Gelbmützen-Regime" bis in die 50er Jahre dergleichen Praktiken gegen seine politischen Gegner bediente. Der Autor scheint exakt diegleichen "propagandistischen" Mittel zu nutzen, die er "Seiner Heiligkeit" unterstellt. Abscheuliche Schauergeschichten über die Klosterausbildung von zerstückelten Frauen- und Kindesleichen für Meditationsübungen oder Dämonenbeschwörungen entbehren natürlich ebenso eines Nachweises bzw. des Zeitbezuges. Außer der beiläufigen Bemerkung: "In früheren Tagen war es üblich" (76), erweckt eben auch Goldners Darstellung unweigerlich den Eindruck, es handele sich um gängige Praxis, zumal nach einem zusammenfassenden Statement wie diesem: "Systematisch werden in den Klöstern geistes- und seelenverkrüppelte Menschen herangezüchtet." (77) Von "Drakonischen Strafen" (80) und systematischen Schlägen, die der Dalai Lama ausdrücklich legitimiere, über die "Phallokratie der Lamas" (151), d. h. sexuelle Exzesse und Kinderschändung bis hin zur "Faszination an Mord und Todschlag" (167) bleibt den tibetischen Mönchen kaum eine Anklage erspart. Ob es dem Pamphlet jedoch gelingt, das unangefochtene Ansehen des "Gottkönigs" im Exil ins Wanken zu bringen, bleibt fraglich.
Andreas Eis (AE)
Jun.-Prof. Dr., Didaktik des politischen Unterrichts und der politischen Bildung, Institut für Sozialwissenschaften Oldenburg, Fakultät I.
Rubrizierung: 2.682.23 Empfohlene Zitierweise: Andreas Eis, Rezension zu: Colin Goldner: Dalai Lama - Fall eines Gottkönigs Aschaffenburg: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/11257-dalai-lama---fall-eines-gottkoenigs_13332, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 13332 Rezension drucken
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