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/ 05.06.2013
Oleg W. Chlewnjuk

Das Politbüro. Mechanismen der politischen Macht in der Sowjetunion der dreißiger Jahre. Aus dem Russischen von Ruth und Heinz Deutschland

Hamburg: Hamburger Edition 1998; 422 S.; geb., 68,- DM; ISBN 3-930908-38-7
Eine der bislang umstrittenen Fragen der sowjetischen Geschichte war, wie es Stalin in den dreißiger Jahren gelang, das höchste kollektive Machtorgan in der UdSSR für seine Ziele zu instrumentalisieren und schließlich ganz auszuschalten. Auf diese Frage bietet der Autor, ein Historiker der jüngeren russischen Generation, nun auf Grund jüngster Archivstudien neue Erkenntnisse, indem er die Entscheidungsfindung für die wichtigsten Abschnitte der sowjetischen Innenpolitik in den dreißiger Jahren untersucht und dabei die unterschiedlichen Phasen des Terrors und der Liberalisierung analysiert. Chlewnjuk widerlegt die bislang in der Forschung vorherrschende These, nach der im Politbüro Fraktionen von "Radikalen" und "Gemäßigten" miteinander um Einfluß rangen und die Generallinie sowjetischer Politik abwechselnd bestimmten. Zwar lassen sich Konflikte zwischen einzelnen Mitgliedern des Politbüros bzw. Gruppierungen erkennen, jedoch weiteten sich diese niemals zu programmatischen Zielkonflikten aus. Bis in die Mitte der dreißiger Jahre hinein hatte Stalin in diesen Auseinandersetzungen die Rolle eines Schlichters inne, der sich aber die letzte Entscheidungskompetenz vorbehielt. Diese zentrale Stellung des Diktators erkennt der Autor auch in der Vorbereitung der großen Säuberungsaktionen 1937/38. Die entsprechenden Anordnungen, die sich u. a. gegen die alten Kader im Politbüro richteten, stammten direkt von Stalin. Er bereitete den "Großen Terror" überlegt, zielgerichtet und sorgfältig vor. Diese Säuberungen gingen seit 1934 mit einer schleichenden Schwächung des Politbüros einher. Statt in diesem Gremium wurden die zentralen Entscheidungen von Stalin nun zunehmend in einer informellen Gruppe von Vertrauten getroffen ‑ eine Entwicklung, die der Alleinherrschaft des Diktators den Boden bereitete und mit der Entmachtung des Politbüros im Jahre 1941 endete. Mit der Zusammenlegung der Ämter des Partei‑ und des Regierungschefs hatte Stalin schließlich die unumschränkte Stellung im Machtgefüge der Sowjetunion erreicht. Auf Grund von Quellen, die erst in den letzten Jahren zugänglich geworden sind, bietet Chlewnjuk eine Binnenanalyse des Politbüros und seiner Entscheidungen in den dreißiger Jahren, die den jüngsten Stand der Forschung widerspiegelt und auf absehbare Zeit ein Standardwerk sein wird. Ein umfangreicher Anhang und ein Personenregister ergänzen die Untersuchung. Aus dem Inhalt: I. Die Zerschlagung der "Rechten" und die Stärkung der Macht Stalins: 1. Die politischen Folgen des großen Umschwungs; 2. Neue Attacken gegen die "Rechten"; 3. Stalin kontra Syrzow und Rykow. II. Die Jahre 1931‑1933: Krisen, "Reformen", Gewalt: 1. Das Scheitern der Politik des "großen Sprungs"; 2. Die Reorganisation der Tätigkeit des Politbüros; 3. Anzeichen für neue "Fraktionen": "Minireformen" und der "Fall Rjutin"; 4. Ursachen und Bedeutung realer Konflikte. III. Das "Tauwetter" des Jahres 1934: 1. Die Festigung des "gemäßigten" Kurses; 2. Das Politbüro nach dem XVII. Parteitag; 3. Stalin und Kirow; 4. Die Korrektur des zweiten Fünfjahresplans. IV. Die Jahre 1935/36: Terror und "Versöhnung": 1. Nach der Ermordung Kirows; 2. Neue Verantwortungsträger; 3. Stalin und Ordschonikidse. V. Das Politbüro und die "große Säuberung": 1. Ursachen und Vorbereitung der Massenrepressalien; 2. Der Mechanismus der Massenrepressalien; 3. Stalin und Jeschow. VI. Das neue System der höchsten politischen Macht: 1. Die Repressalien im Politbüro; 2. Alte und neue Mitstreiter Stalins; 3. Das Politbüro und der Rat der Volkskommissare am Vorabend des Krieges.
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Rubrizierung: 2.622.212.24 Empfohlene Zitierweise: Markus Kaim, Rezension zu: Oleg W. Chlewnjuk: Das Politbüro. Hamburg: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/6629-das-politbuero_8954, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 8954 Rezension drucken
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