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/ 04.06.2013
Hans Krech

Der Bürgerkrieg in der Türkei (1978-1999) Ein Handbuch. Mit einem außenpolitischen Konzept zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik

Berlin: Verlag Dr. Köster 1999 (Bewaffnete Konflikte nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes 6); 243 S.; brosch., 64,80 DM; ISBN 3-89574-360-7
Bereits auf der ersten Seite stellt der Autor das Ergebnis seiner Darstellung des Krieges der türkischen Armee gegen den militärischen Arm der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) fest: "Die PKK wurde von der Sowjetunion zur Destabilisierung der Türkei im Kalten Krieg aufgebaut und skrupellos eingesetzt. Das türkische Militär verteidigte bei der Abwehr dieses gefährlichsten kommunistischen Angriffs auf türkisches Territorium auch die Südflanke der NATO, die Sicherheit aller NATO-Staaten und natürlich die Demokratie und die Menschenrechte." (1) Nach einem Überblick zur Landeskunde und Geschichte der Türkei einschließlich ihrer kurdischen Bevölkerung (3-40) besteht der Hauptteil des "Handbuchs" aus einer Ereignischronologie. Der Autor sieht den "Bürgerkrieg" (korrekter ist von einem Autonomie- bzw. Sezessionskrieg zu sprechen) durch drei Offensiven der PKK gegliedert: "1. Etappe: Die Niederschlagung des Aufstandes durch das Militär und der Neuaufbau der PKK mit syrischer Unterstützung (1978-1983)" (41-47); "2. Etappe: Der Destabilisierungsversuch der Türkei durch Syrien" von 1984 bis 1991 (48-71); "3. Etappe: Die PKK auf der Suche nach einer politischen Lösung des Bürgerkriegs" seit 1991 (72-169). Dabei setzt die Chronologie mit der Verhängung des Kriegsrechts über zwei Provinzen im Südosten der Türkei im Februar 1978 ein, Monate vor der Gründung der PKK durch einige Studenten unter Führung von Abdullah Öçalan an der Universität von Ankara. Der Autor kann eine "Offensive der PKK" oder ein vergleichbares strategisch-militärisches Operieren einer militärischen Organisation dieser Partei vor 1984 nicht nachweisen. Die Periodisierung soll vielmehr die eigentliche These des Autors stützen: "1979/80 versuchte die Sowjewtunion den Kalten Krieg durch eine militärische Großoffensive in der Dritten Welt über ihre regionalen Vasallen zu entscheiden. Der Schwerpunkt dieser Offensive zielte auf die Kontrolle der strategischen Ölreserven der demokratischen Industriestaaten am Persischen Golf." (37) Auch in diesem Punkt bleibt der Autor jedoch Belege für die Planung der "militärischen Großoffensive" und ihrer strategischen Ziele schuldig. Überhaupt werden durchweg nur Angaben zu Operationen, Zielen und Verlusten/Erfolgen der türkischen Armee durch Quellen belegt. Über Organisation und Finanzierung der PKK zum Beispiel wird ohne jede Quellenangabe mitgeteilt: "Die PKK entwickelte sich zu einer stalinistischen Organisation weiter. Sie finanzierte sich durch syrische Unterstützung und die Erlöse aus dem Rauschgifthandel." (43) So interpretiert der Autor den türkisch-kurdischen Konflikt als Teil des "Kalten Krieges", trotz seiner Virulenz und Opfer seit dem Zugeständnis eines eigenen Staatsgebietes für die Kurden im Friedensvertrag von Sèvre von 1920 und der stillschweigenden Annullierung dieser Bestimmung im Friedensvertrag von Lausanne, der drei Jahre später den türkischen Unabhängigkeitskrieg beendete. Diese geostrategische Interpretation findet ihre Erklärung im abschließenden "außenpolitischen Konzept zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland" unter dem Titel "Die Türkei im Blickfeld deutscher strategischer außen-, sicherheits- und wirtschaftspolitischer Planungen und der PKK-Konflikt" (170-179). Ausgangspunkt ist hier die traditionelle Freundschaft zwischen der Türkei und Deutschland, die nach der jetzt möglichen Beendigung des Krieges gegen die PKK-Verbände Grundlage für eine rasche Aufnahme der Türkei in die EU werden solle, "wobei es völlig selbstverständlich ist, daß es eine Gewährung aller EU-Freiheiten für die Türkei [...] nicht geben kann. Einen freien Zuzug türkischer Staatsbürger nach Deutschland und in andere EU-Staaten kann es nicht geben." (174). Die Türkei sei der strategische Schlüssel zu den potentiellen Absatzmärkten für die deutsche Wirtschaft in der Golfregion, in Mittelasien sowie über "eine Landbrücke bis zum chinesischen Zukunftsmarkt" (173). Kurzfristig hat der Autor dazu die Vision: "Als denkbares Großprojekt unserer Wirtschaft wäre der Bau einer Eisenbahnlinie auf der Basis des ICE und des Transrapid um den Golf herum anstrebenswert." (172) - mit dieser "großangelegten außenpolitischen Offensive zur Erschließung neuer Märkte" sei das Problem der Massenarbeitslosigkeit "strategisch" zu lösen (173). An dieser Stelle verweist der Autor zum Beleg nur noch auf seine eigenen Texte.
Michael Hein (HN)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Arbeitsstelle für graphische Literatur, Universität Hamburg, freier Lektor, Übersetzer, Publizist.
Rubrizierung: 2.632.254.22 Empfohlene Zitierweise: Michael Hein, Rezension zu: Hans Krech: Der Bürgerkrieg in der Türkei (1978-1999) Berlin: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/5992-der-buergerkrieg-in-der-tuerkei-1978-1999_8164, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 8164 Rezension drucken
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