/ 12.06.2013

Stephan Grigat / Simone Dinah Hartmann (Hrsg.)
Der Iran. Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer
Innsbruck/Wien/Bozen: Studien Verlag 2008; 292 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-7065-4599-0Der Sammelband dokumentiert und ergänzt ein dem Iran gewidmetes Symposium, welches 2007 an der Universität Wien stattfand. Während der Großteil der zu diesem Land derzeit veröffentlichten Literatur fast ausschließlich den Konflikt um das Nukleardossier im Blick hat, wird hier die entsprechende Diskussion in den Kontext einer viel weiter greifenden Analyse gestellt. Dies reicht von Beiträgen über die Natur und Funktionsweise des politischen Systems und seiner Führungseliten, über das Geschlechterverständnis und die Lage der Homosexuellen bis zum außenpolitischen Wirken und der internationalen Wahrnehmung. Die Autoren tragen zahlreiche Fakten zusammen, die keinen Zweifel an der totalitären Natur des Regimes aufkommen lassen. Mit diesem Analyserahmen wird im zweiten Teil das Verhältnis von Deutschland und Österreich gegenüber dem Iran besonders kritisch unter die Lupe genommen. Den Anspruch, dabei mehr zu sein als nur eine akademische Übung, nämlich „Einspruch gegen die Indifferenz, mit der große Teile der europäischen Öffentlichkeit den Terror gegen die iranische Bevölkerung und der Vernichtungsdrohung gegen Israel seitens der Teheraner Mullahs begegnen“ (10), erfüllen die Autoren dabei voll und ganz. Aus ihrer Sicht steht die atomare Bewaffnung Irans unmittelbar bevor und damit auch die nukleare Vernichtung Israels durch die in Teheran derzeit regierenden „Klerikalfaschisten“ (33). Die Indizienlage für deren Streben nach Nuklearwaffen ist in der Tat überwältigend. Die anti-israelischen und anti-semitischen Worte und Taten kann niemand ernsthaft bestreiten. Allerdings ist der daraus gezogene Schluss einseitig. Jegliche Dialogbereitschaft als falsch, als „appeasement“ und als „zweites München“ anzuprangern ist nachvollziehbar, die Kritik an zu wenig Entschlossenheit verständlich. Ausgeblendet wird, dass „regime change“-Konzepte gerade in dieser Region nicht nur ihren Kredit verspielt, sondern zum Erstarken Irans und zu den anhaltenden Problemen beim Nahost-Friedensprozess erst mit beigetragen haben. Eine (vermeintlich) einfache Lösung ist in der Iran-Frage nicht in Sicht.
Thomas Henzschel (TH)
Dr., Auswärtiges Amt, Arbeitsstab Iran.
Rubrizierung: 2.63 | 2.22 | 2.23 | 2.25 | 4.22 | 4.21 | 2.4 | 2.61
Empfohlene Zitierweise: Thomas Henzschel, Rezension zu: Stephan Grigat / Simone Dinah Hartmann (Hrsg.): Der Iran. Innsbruck/Wien/Bozen: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/14407-der-iran_34662, veröffentlicht am 13.01.2009.
Buch-Nr.: 34662
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Dr., Auswärtiges Amt, Arbeitsstab Iran.
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