/ 25.02.2016
Jegor Gajdar
Der Untergang eines Imperiums. Übersetzung: Vera Ammer
Wiesbaden: Springer Gabler 2016; 369 S.; hardc., 29,99 €; ISBN 978-3-658-10572-3Als Wirtschaftsminister und später auch als kommissarischer Ministerpräsident war Jegor Gajdar seit 1991 in führender Position für die Umsetzung jener grundlegenden Wirtschaftsreformen im postsowjetischen Russland verantwortlich, die als „Schocktherapie“ in die Geschichte eingingen. Seine Kritiker sollten ihm dafür bis zu seinem Tod 2009 immer wieder vorwerfen, dass er damit die Verantwortung für die Hyperinflation und die Entwertung der Sparguthaben in den frühen 1990er‑Jahren getragen habe. Dass es sich dabei jedoch um Symptome einer Krankheit handelte, deren Ursachen in der Sowjetzeit zu suchen sind, versucht Gajdar in diesem Buch zu belegen. In acht Kapiteln beschreibt er zunächst den Aufstieg und den Fall von Imperien sowie die Ursachen für die Instabilität autoritärer Systeme, um sich schließlich jenen Wirtschaftssystemen zu widmen, die in fataler Art und Weise von den Rohstoffpreisen auf den Weltmärkten abhängig sind. Für die in den folgenden Kapiteln umfassend analysierte Sowjetwirtschaft galt das in mehrfacher Hinsicht: Denn zum einen brachen ihr mit dem Verfall des Ölpreises in den 1980er‑Jahren die Deviseneinnahmen weg, zum anderen konnte sie aufgrund von Ernteausfällen und der zunehmend maroden Landwirtschaft das eigene Volk nicht mehr versorgen. Dies führte dazu, dass sie Nahrungsmittel gegen Devisen auf den Weltmärkten beschaffen musste, was letztlich wiederum zum Staatsbankrott beitrug. Anhand umfangreichen Zahlen‑ und Aktenmaterials gelingt es Gajdar, die Zusammenhänge zwischen der Erstarrung des politischen Apparates, den Zahlungsbilanzschwierigkeiten und dem Verfall der staatlichen Autorität zu rekonstruieren. Wenngleich die dabei gewählten Parallelen zu anderen untergegangenen Imperien aus historischer Sicht eher kursorisch bleiben, zeichnet sich das im Russischen bereits 2006 erschienene Buch aus politisch‑volkswirtschaftlicher Perspektive durch Denk‑ und Detailschärfe aus. Angesichts der derzeitigen Probleme der stark auf den Rohstoffsektor konzentrierten russischen Wirtschaft lässt es sich damit als ein Kassandraruf lesen.
{MV}
Rubrizierung: 2.62 | 2.2 | 2.262 | 2.25 | 2.65 Empfohlene Zitierweise: Michael Vollmer, Rezension zu: Jegor Gajdar: Der Untergang eines Imperiums. Wiesbaden: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/39463-der-untergang-eines-imperiums_48062, veröffentlicht am 25.02.2016. Buch-Nr.: 48062 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA