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/ 21.06.2013
Benjamin Adler

Die Entstehung der direkten Demokratie. Das Beispiel der Landsgemeinde Schwyz 1789-1866. Mit einem Nachwort von Andreas Suter

Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung 2006; 358 S.; 39,- €; ISBN 978-3-03823-163-9
Diss. Zürich; Gutachter: A. Suter, J. Tanner. – Männer mit Degen, die in den Bergen im Ring stehen und schwören – mit dieser beliebten klischeehaften Stereotype wird die Demokratie der Schweiz gerne beschrieben. Aber „echte“ Demokratie muss nicht zwingend unmittelbar direkt sein, und Landsgemeinde, das zeigt die Geschichte, ist nicht automatisch demokratisch. Adler untersucht in seiner anspruchsvollen Monografie am Beispiel des zentralschweizerischen Kantons Schwyz die Bedeutung der Institution Landsgemeinde für die Entstehung der heutigen „halb“ direkten Demokratie in der Eidgenossenschaft. Seine Kernthese ist, dass die eidgenössische Verfassungsentwicklung beim Übergang vom Ancien Régime zur Moderne nicht durch eine Alternative „Bruch oder Kontinuität“ geprägt wurde, sondern von einem Mittelweg, der das gegensätzliche Nebeneinander zentraler Brüche und wirkungsvoller Kontinuitätslinien integrierte. Die heutige Form der (halb) direkten Demokratie im schweizerischen Bundesstaat ist demnach eine Verschmelzung der versammlungsdemokratischen Landsgemeindekultur einerseits und andererseits der liberal-repräsentativen politischen Kultur, die sich in der Schweiz im Gefolge der Französischen Revolution ausbreiten konnte. Adler untersucht in reizvoller Weise die politisch-historische Entwicklung der Institution Landsgemeinde unter Verweis auf Pierre Rosanvallon anhand von historischen Knoten, wobei anhand internen wie externen Drucks die direkte Demokratie sich gleichsam in Schüben entwickelt. Methodisch ist die Studie begriffsgeschichtlich geprägt. Der sorgfältig edierten Schrift ist ein umfangreiches, essayhaftes Nachwort des Projektleiters und Doktorvaters beigefügt, in dem dieser die direkte Demokratie über das analysierte kantonale Beispiel hinausgehend in einen größeren Kontext stellt. Anregend ist dabei besonders die Überlegung, dass die Bewohner des Kantons Schwyz im 19. Jahrhundert gegenüber dem Schweizer Bundesstaat nicht minder skeptisch eingestellt waren, als dies heute viele Schweizer gegenüber der Europäischen Union sind.
Burkard Steppacher (BKS)
Prof. Dr., Konrad-Adenauer-Stiftung; Forschungsinstitut für Politische Wissenschaft und Europäische Fragen, Universität zu Köln (http://www.jeanmonnetchair.uni-koeln.de/index.php?id=252).
Rubrizierung: 2.52.21 Empfohlene Zitierweise: Burkard Steppacher, Rezension zu: Benjamin Adler: Die Entstehung der direkten Demokratie. Zürich: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/28083-die-entstehung-der-direkten-demokratie_33016, veröffentlicht am 02.04.2008. Buch-Nr.: 33016 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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