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Rezension / 21.01.2020

Daniel Hornuff: Die Neue Rechte und ihr Design. Vom ästhetischen Angriff auf die offene Gesellschaft

Bielefeld, transcript 2019

So vermeintlich skurrile Phänomene wie der Hipster-Nazi, der rechte Veganer oder rechte Flüchtlingshilfe sind nicht nur Stoff für bekannte Satire-Formate. Daniel Hornuff, Professor an der Kunsthochschule Kassel, sieht darin eine unterschätzte Gefahr und hält die Kritik dieser neurechten Ästhetik für äußerst wichtig. Präzise analysiert er, wie die Neue Rechte mit ästhetischen Mitteln die offene Gesellschaft bedroht. Sein Buch ist laut Rezensent Martin Repohl ein wichtiger Beitrag zur Debatte, wie mit den Mustern rechter Selbstdarstellung proaktiv umgegangen werden kann und sollte.

Mit dem politischen Erstarken des Rechtspopulismus haben auch rechtsradikale Positionen wie Migranten-, Frauen,- und Homosexuellenfeindlichkeit, Antisemitismus und eine generell feindselige Ausdrucksweise Einzug in die politische und gesellschaftliche Debatte gehalten. Viele dieser Positionen werden dabei nicht nur von bereits bekannten rechtsradikalen Gruppen vertreten, sondern gezielt durch Gruppen forciert, die sich der sogenannten neuen Rechten zuordnen lassen, deren momentan öffentlich sichtbarster Vertreter die Identitäre Bewegung ist. Doch was ist wirklich neu an diesen neuen Rechten? Ihre antiliberale und menschenfeindliche Einstellung wohl kaum. Vielmehr ist es ihr öffentliches Auftreten und ihr Versuch, sich gezielt ein hippes und progressives Image zu geben. Dabei spielt eine geschickte symbolische Selbstbeschreibung eine zentrale Rolle. Wie wichtig es ist, nicht nur dem kommunikativen Handeln der rechten Gruppen entgegenzutreten, sondern ihr Agieren auch im Bereich der politischen Ästhetik zu dekonstruieren, das zeigt Daniel Hornuff in diesem Essay.

Hornuff, Professor an der Kunsthochschule Kassel, macht gleich zu Beginn deutlich, warum gerade die Kritik dieser neurechten Ästhetik so wichtig ist: „Neu sind die öffentlichen Formen und digitalen Formate; neu sind die körperlichen und modischen Präferenzen, die intervenierenden Aktionen und die Strategien der Kommunikation; neu sind folglich auch die Vertriebs- und Distributionswege sowie – vor allem! – die Techniken der Vermarktung. Mit anderen Worten: Das Neue an den Neuen Rechten ist ihr Design“ (9). Das Ziel, das diese Gruppierungen verfolgen, ist klar: Durch die subversive Aneignung liberaler und linker ästhetischer Ausdrucksformen sollen politische Anliegen in gesellschaftliche Debatten eingeschleust und eine vermeintliche politische Legitimität suggeriert werden, um letztlich Anhänger zu gewinnen. Das verfolgte Ziel formuliert der Autor präzise: die „Popularisierung des rechten Populismus“ (11). Personen, die als modisch, cool, umweltfreundlich oder sogar als intellektuell erscheinen können, stimmt man nicht nur eher in ihren Ansichten zu, sondern hält diese selbst auch für zustimmungsfähig – so das Kalkül. Zugleich kann der politische Gegner irritiert und als unglaubwürdig dargestellt werden, sind doch zumindest äußerlich die politischen Spektren nicht mehr zu unterscheiden. Das so vermeintlich skurrile Phänomene, wie der Hipster-Nazi, der rechte Veganer oder rechte Flüchtlingshilfe nicht nur Stoff für die bekannten Satire-Formate sind, sondern dass sich hinter ihnen eine unterschätzte Gefahr verbirgt, macht der Autor gleich zu Beginn seiner Analyse deutlich.

Diese gliedert sich in zehn Kapitel und berücksichtigt Aspekte wie Polit-Aktivismus, Konsumgüter, Naturschutz, das Frauenbild, körperliche Selbstpräsentation, Video-Stil und inszenierte Intellektualität. Hornuff schreibt: „Manche der ausgewählten Phänomene mögen auf den ersten Blick ebenso nebensächlich wie unspektakulär wirken, womöglich auch banal, hohl oder trivial. So bewertet, dürften sie denn auch als gesellschaftspolitisch unerheblich erscheinen. Meine These aber ist: Gerade, weil dies oft und gerne so gesehen wird, finden diese Phänomene – und ihre sozialen Auswirkungen – kaum eigens Beachtung“ (12). Die Warnung davor, sie zu unterschätzen, zieht sich dabei als roter Faden durch die gesamte Analyse. Werden sie als Naivität oder ästhetische Anbiederung einfach abgetan, wird damit einer politischen Überheblichkeit Vorschub geleistet, die letztlich die Anziehungskraft dieser symbolischen Formen noch steigern kann.

Der Autor strukturiert seine Analyse dabei ausgehend von einem einfachen Beispiel – wie einer Videosequenz, einem Objekt oder einem Ereignis – übersichtlich und nachvollziehbar. Unter anderem. zeigt er am Beispiel bewusst harmlos gestalteter Tassen, wie diese kleinen Dinge „Anlass zur situativ geprägten Bestätigung eines favorisierten Weltbildes“ (35) bieten – und sich so schleichend in einem öffentlichen Raum wie dem Büro oder der Teeküche etablieren können. Schritt für Schritt dekonstruiert der Autor mit scharfer Beobachtung die ausgewählten Beispiele. Durch die detailreichen Erläuterungen gelingt es Hornuff, seinen Anspruch einzulösen, nicht nur die Ästhetik der neuen Rechten zu hinterfragen, sondern gerade dadurch die ästhetische Urteilskraft und Wahrnehmungskompetenz des Lesers zu schulen. Sein Buch ist damit ein wichtiger Beitrag zur Debatte, wie mit den Mustern rechter Selbstdarstellung proaktiv umgegangen werden kann und sollte.

Die wichtigste analytische Leistung Hornuffs besteht jedoch darin zu zeigen, dass sich der rechte Machtanspruch nicht nur ästhetisch ausdrückt, sondern diese Ausdrucksweise zugleich auch seine Widersprüchlichkeit und Verwundbarkeit offenbart. Gerade der Versuch, liberale Ausdrucksformen subversiv umzudeuten, verstrickt die Protagonisten der neuen Rechten in komplizierte Widersprüche. Diese bestehen insbesondere darin, dass der Versuch der Etablierung einer geschlossenen und homogenen kulturellen Identität einer Ausdrucksweise bedarf, die diesen Essentialismus auch ästhetisch lesbar macht. Hornuff schreibt: „Das Problem ist nur: Exakt dies vermeiden neurechte Bewegungen ebenso penibel wie umsichtig. Ihr politischer Wille zum kollektiven Wesen vollzieht sich gerade nicht durch einen ästhetischen Willen zum Wesen. Ihr Ideologie-Essentialismus artikuliert sich in keinem Ding-Essentialismus“ (20). Die neue Rechte entwirft damit ein „warenästhetisches Verpackungsdesgin ihrer selbst. Und wie bei jedem anderen Verpackungsdesgin ist auch in diesem Fall nicht garantiert, dass der Inhalt einlöst, was die Gestaltung in Aussicht stellt“ (68).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass mit „Die neue Rechte und ihr Design“ ein wichtiges Buch vorliegt, das nicht nur die ästhetischen Erscheinungsformen des Rechtspopulismus präzise analysiert und dekonstruiert, sondern gerade dadurch die enorme Bedeutung von politischer Ästhetik und Urteilskraft für die Verteidigung liberaler Grundwerte verdeutlicht. Dennoch bleiben auch hier relevante Fragen offen: So fehlt erstens eine Verknüpfung neurechter Erscheinungsweisen mit tradierten faschistischen Symboliken. Diese bilden keinesfalls einen Antagonismus, sondern die Übergänge sind fließend. Es wäre zu analysieren, inwiefern diese Formen nicht nur subversiv sind, sondern auch Versuche einer zeitgenössischen Neuinterpretation tradierter Symboliken darstellen und wo dabei die einen als Vehikel für die anderen genutzt werden. Zweitens versäumt es der Autor zu erläutern, wieso gerade warenästhetische Erscheinungsformen so leicht anschlussfähig an (neu-)rechtes Denken sind, sodass diese nicht nur subversiv umgedeutet, sondern auch zur ernsthaften Selbstinszenierung genutzt werden können. Gerade dabei ist zu berücksichtigen, dass Faschismus in allen seinen Ausdrucksweisen eben kein vor- oder postmodernes Phänomen ist, sondern inhärent mit Modernität und Kapitalismus verbunden ist. Die Ausbildung ästhetischer Urteilkraft bedeutet also besonders auch im Zeitalter der Digitalisierung, zu erkennen, wie deutungsoffen und instrumentalisierbar gängige und weitverbreitete ästhetische Formen und Symboliken sind. Drittens wird nicht berücksichtigt, dass diese Form von rechtem Design bereits geeignet ist, ganz materielle Tatsachen zu schaffen. So fehlt leider ein Bezug zur Debatte um rechte Architektur und den kulturellen, baupolitischen und städtebaulichen Roll-Back, der sich in diesem Feld bereits vor der Etablierung des Rechtspopulismus angedeutet hat. Auch im Bereich der Umweltpolitik und der Energiewende sind es ästhetische Vorstellungen der Rechtspopulisten, die bereits gesellschaftlich wirksam werden und erreichte Erfolge erneut unterminieren – denkt man nur an das Feindbild Windrad als symbolischer Ausdruck für eine Ignoranz gegenüber klimapolitischen Notwendigkeiten.

Trotz dieser Kritikpunkte ist dieser Essay ein überaus lesenswerter Beitrag sowohl für das Verständnis des Rechtspopulismus als auch für die Aufgabe seiner politischen Überwindung. Er eignet sich als hervorragende Einstiegslektüre für eine weitere Beschäftigung mit der politischen Ästhetik der (neuen) Rechten.

 

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