/ 17.11.2016
Stefan Deißler
Eigendynamische Bürgerkriege. Von der Persistenz und Endlichkeit innerstaatlicher Gewaltkonflikte
Hamburg: Hamburger Edition 2016; 367 S.; 35,- €; ISBN 978-3-86854-297-4Diss. Göttingen. – Bürgerkriege resultieren aus einem mehrfachen Scheitern – dem der Bürgerordnung, des hier zugrunde liegenden Gesellschaftsvertrages und der Deutungshoheit über die Politik durch die Regierung, die damit das Gewaltmonopol und ihre Legitimität im Staatshandeln verliert. Stefan Deißler interessiert vor diesem Hintergrund besonders, warum es so schwerfällt, die einmal entfesselte Geisel des Krieges wieder einzufangen. Offensichtlich gibt es eine dem Konflikt – unbeschadet seiner Ursachen und der Zusammensetzung der hieran direkt oder mittelbar beteiligten Akteure – inhärente Größe, die ihn am Leben erhält, obwohl die ursprünglich damit verbundenen Zielsetzungen längst nicht mehr militärisch erfüllbar sind. Um diesem Phänomen nachspüren zu können, muss der Autor dieser von der Hans‑Böckler‑Stiftung geförderten Studie zunächst einige Präzisierungen und Einordnungen vornehmen, die sich einmal auf die Wahrnehmung des Bürgerkrieges in der Literatur und dann vor allem auf die Spezifika bürgerkriegstypischer Strukturen beziehen. Dass Deißler hierbei eine Synthese aus Immanuel Kant und Andrew Abbot wagt, um seine Überlegungen zu gewissen systemimmanenten Imperativen zu untermauen, überrascht, ist aber angesichts der Frage nach den Selbsterfüllungsmechanismen des Bürgerkrieges nachvollziehbar. Um nun die hier angestellten theoretischen Vorüberlegungen zu überprüfen, unterzieht Deißler erst den Guerilla‑ und dann den Sezessionskrieg einer näheren Betrachtung. Beide Formen des Bürgerkrieges werden vergleichbar, wo sich Deißler auf die Reaktionen in der Zivilbevölkerung kapriziert. Nicht von ungefähr, so der Autor, ist die Kriegsdauer und ‑intensität neben der Ressourcenausstattung der Konfliktparteien (inklusive Zugang zu den relevanten Nachschubmärkten) auch an deren Rückhalt in der Bevölkerung zu bemessen. Diese Überlegungen münden schließlich in eine Analyse des Bürgerkrieges in Kolumbien, in die ein Forschungsaufenthalt im Land einfließt. Dass der hier im Juni 2016 ausgehandelte Waffenstillstand in der Betrachtung fehlt, ist allein dem Erscheinungsdatum dieser Arbeit geschuldet.
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Rubrizierung: 2.25 | 4.41 | 2.65 Empfohlene Zitierweise: Martin Schwarz, Rezension zu: Stefan Deißler: Eigendynamische Bürgerkriege. Hamburg: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/40164-eigendynamische-buergerkriege_48347, veröffentlicht am 17.11.2016. Buch-Nr.: 48347 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA