/ 05.06.2013
Theo Mechtenberg
Engagement gegen Widerstände. Der Beitrag der katholischen Kirche in der DDR zur Versöhnung mit Polen
Leipzig: benno Verlag 1999; 126 S.; kart., 16,80 DM; ISBN 3-7462-1295-2Die Aussöhnung zwischen Polen und Deutschland ist ein wichtiges Kapitel der Nachkriegsgeschichte und eine bleibende Aufgabe. Das Verhältnis der katholischen Ortskirchen beider Länder ist ein wichtiger Teil davon. Herausragendes Ereignis für den Beginn einer Aussöhnung war hier der Briefwechsel zwischen (west- wie ost)deutschen und polnischen Bischöfen von 1965, der durch das gemeinsame Erlebnis des Zweiten Vatikanischen Konzils möglich geworden war. Der Autor, der selbst sowohl Zeitzeuge als auch Handelnder war (zu seiner Rolle vgl. etwa 182), nähert sich in einem zeithistorischen Zugriff diesem schwierigen Aussöhnungsprozeß aus der Perspektive der katholischen Kirche der DDR. Er beschreibt die lange Zeit des Schweigens zwischen den katholischen Bischöfen diesseits und jenseits der Oder-Neiße-Linie, die schwierigen innenpolitischen Probleme, die offizielle Kontakte der katholischen Kirche der DDR zur polnischen aufwarfen, den Einfluß der vatikanischen Ostpolitik, die Rolle einzelner katholischer Geistlicher und Laienkreise als Motor einer weiteren Annäherung und Aussöhnung sowie die vielfältigen Hindernisse, die einem solchen Engagement in der DDR entgegenstanden. Dabei zeigt sich, daß für den katholischen Episkopat in der DDR mit der Frage der Kontakte zu Polen immer auch das Staat-Kirche-Verhältnis als solches zur Diskussion stand. In den späten 60er und 70er Jahren beargwöhnte der SED-Staat zuerst die öffentlichen Äußerungen und Gesprächskontakte des Klerus im Hinblick auf die völkerrechtliche Anerkennung der DDR. Für die Unterschrift unter den Versöhnungsbrief von 1965 mußte sich etwa Kardinal Bengsch in einem geheimen Gespräch mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen, Hans Seigewasser, gegen den Vorwurf des Revanchismus und einer schweren Verletzung seiner Loyalitätspflicht gegenüber der DDR wehren (64 f.). Mit dem ersten Papstbesuch in Polen bzw. seit Beginn der Solidarnosc-Bewegung gewann dann die Sorge der DDR-Machthaber die Oberhand, die Aufweichungen des real existierenden Sozialismus in Polen könne durch kirchliche Kontakte auch auf die DDR übergreifen. Da die wichtigste Quellengrundlage der Darstellung die staatlichen Akten und hier insbesondere die Unterlagen des MfS sind, nimmt die interne (kirchen)politische Dimension der Kontakte zu Polen in der Darstellung einen breiten Raum ein. Dahinter tritt der eigentliche Aussöhnungsprozeß zwischen polnischen und deutschen Katholiken sowie dessen moralische und zwischenmenschliche Dimension zurück. Deutlich wird jedoch, daß es in der katholischen Kirche der DDR bis zum Schluß weniger die Kirche als Ganze als vielmehr einzelne Personen und katholische Kreise waren, die gerade dieses Anliegen beförderten. Aus welchen Überlegungen oder Motiven Bischof Johannes Braun im Jahr 1984 Günter Särchen, dem wohl wichtigsten Förderer deutsch-polnischer Begegnungen in jenen Jahren, seine Rückendeckung entzog oder evtl. auch entziehen mußte (106), hätte man allerdings gerne erfahren, um ein besseres Verständnis der innerkirchlichen Zusammenhänge zu erlangen.
Antonius Liedhegener (Li)
Dr., wiss. Ass., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.uni-jena.de/svw/powi/sys/liedhege.html).
Rubrizierung: 2.313 | 2.35 | 2.62
Empfohlene Zitierweise: Antonius Liedhegener, Rezension zu: Theo Mechtenberg: Engagement gegen Widerstände. Leipzig: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/7936-engagement-gegen-widerstaende_10523, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 10523
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Dr., wiss. Ass., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.uni-jena.de/svw/powi/sys/liedhege.html).
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