/ 19.06.2013
Hans-Eckehard Bahr
Erbarmen mit Amerika. Deutsche Alternativen
Berlin: Aufbau-Verlag 2003; 157 S.; brosch., 14,90 €; ISBN 3-351-02569-6Der Titel dieser engagierten Streitschrift mag manchem Leser etwas herablassend vorkommen. Der Theologe Bahr hat jedoch keine der so verbreiteten antiamerikanischen Polemiken geschrieben. Sein Essay ist vielmehr eine sehr deutlich formulierte, gedankenreiche und äußerst anregende Kritik der religiösen Begründung der amerikanischen Außenpolitik. So wirft er ihr vor, seit jeher nur Machtaspekte in den Vordergrund gerückt und zur Legitimierung die Bibel herangezogen zu haben. Gegenwärtig sei die amerikanische Regierung sogar von einem „sektiererisch begründeten Allmachtswahn“ (13) beherrscht, verfange sich in einer „Selbsthysterisierung“ (17) und stehe im Begriff, „eine neue pathologisch religiöse Weltordnung in Szene [zu] setzen“ (18). Er sieht das Land auf dem Weg „in einen trotzig gekränkten moralisch-kulturellen Isolationismus“ (16). Die Zukunft des europäisch-amerikanischen Verhältnisses beurteilt Bahr skeptisch. Er meint, Europa müsse sich der wahnhaft religiös begründeten amerikanischen Weltpolitik entziehen, auf gewaltfreie Konfliktlösungen setzen und würde damit automatisch Missverständnisse heraufbeschwören. „Die Zeit der Konsenspartnerschaft ist abgelaufen, die Differenzpartnerschaft beginnt.“ (14) So hart Bahrs Kritik an Amerika ausfällt, so sehr merkt man, dass er auch die andere Seite kennt und schätzt: „die Großherzigkeit der Amerikaner, ihren Wagemut und ihre leidenschaftliche demokratische Kultur“ (16). Er verweist auf das Amerika Martin Luther Kings (mit dem er in den 60er-Jahren in den USA zusammenarbeitete), auf das Amerika mit einer Vision von einer „Weltgesellschaft gleichberechtigter Menschen“ (15) und ruft dazu auf, die US-Bürger darauf hinzuweisen, dass ihr Land diesen Pfad verlassen hat. Seine Analyse der religiös begründeten amerikanischen Politik führt ihn jedoch keineswegs dazu, Religion als Begründung für Politik zu verdammen. Er verweist im Gegenteil auf die „menschenrechtliche, die originär christliche Religion“ (2), die im Zusammenspiel mit den leidvollen historischen Erfahrungen Europas das weltpolitische Machtspiel verändern soll. In diesem religiös begründeten Sinne ist das Erbarmen mit Amerika auch zu verstehen, das Bahr im Titel fordert.
Walter Rösch (WR)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 4.22 | 2.64 | 2.23
Empfohlene Zitierweise: Walter Rösch, Rezension zu: Hans-Eckehard Bahr: Erbarmen mit Amerika. Berlin: 2003, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/20732-erbarmen-mit-amerika_24180, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 24180
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M. A., Politikwissenschaftler.
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