/ 21.06.2013
Avraham Burg
Hitler besiegen. Warum Israel sich endlich vom Holocaust lösen muss. Aus dem Englischen von Ulrike Bischoff
Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2009; 280 S.; 22,90 €; ISBN 978-3-593-39056-7Der bekannte israelische Politiker, ehemals Sprecher der Knesset, legt eine streitbare Schrift mit seinen Gedanken zu Israels Gegenwart und eine Auseinandersetzung mit den Kernthesen des Zionismus vor. Darin wagt er einen provokanten Vergleich: Das Israel der Gegenwart weise eine gewisse Ähnlichkeit mit Deutschland zur Zeit der Weimarer Republik auf. Sein Staat sei von Militarismus und Fremdenfeindlichkeit geprägt und in fataler Weise vom Trauma des Holocausts besessen, denn „in Israel wie auch in Amerika führte der Schuldkomplex zu einer nationalen Besessenheit von überzogener Sicherheitspolitik, zu einem Machtstreben, das oft in primitive Kriegslust übergeht“ (53). In Amerika resultiere dies, so Burg, aus der Überzeugung, dass sich mehr für die europäischen Juden hätte tun lassen, wenn man die US-Regierung gedrängt hätte, früher zu handeln. Mit Blick auf die Siedler beklagt der Autor, dass in Israel die freie Meinungsäußerung „jede Grenze überschritten und zu einer Art verbaler Anarchie geführt“ (64) habe. Auch an Häuserwände geschmierte Parolen wie „Araber raus“ oder die gebräuchliche Redewendung von den „Oslo-Verbrechern“ erinnerten nicht zufällig an die Parolen „Juden raus“ und die Rede von den „Novemberverbrechern“ in der Weimarer Zeit. Ungeheuerlich findet Burg es, wenn das israelische Fernsehen beispielsweise formuliert: „Soldaten feuerten in die Luft, und zwei Jungen wurden getötet.“ (80) Derart absurde Formulierungen deuteten auf eine verzerrte Bewusstseinslage der Gesellschaft hin. Die Rachegefühle gegenüber den Deutschen hätten die Israelis heute auf die Araber verlagert. Burg ist von der Notwendigkeit eines neuen Judentums überzeugt und setzt sich von der These einer jüdischen Überlegenheit eines Rabbi Yitzhak Ginzburg ab, indem er formuliert: „Israelischer Humanismus muss begreifen, dass die Antwort auf die israelische Besetzung nicht nur im Rückzug aus den besetzten Gebieten besteht, sondern auch in der Schaffung einer neuen jüdischen Identität.“ (230) Als konkrete Maßnahme schlägt er u. a. eine moderne Definition der Staatsbürgerschaft für Israel vor.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.63 | 2.23
Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Avraham Burg: Hitler besiegen. Frankfurt a. M./New York: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/31838-hitler-besiegen_37962, veröffentlicht am 16.03.2010.
Buch-Nr.: 37962
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Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
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