/ 11.06.2013
Almut Wieland-Karimi
Islamische Mystik in Afghanistan. Die Strukturelle Einbindung der Sufik in die Gesellschaft
Stuttgart: Franz Steiner Verlag 1998 (Beiträge zur Südasienforschung 182); X, 263 S.; kart., 90,- DM; ISBN 3-515-07446-5Islamwiss. Diss. HU Berlin; Erstgutachter: P. Heine. - Trotz der gegnerischen Autorität der legalistischen Orthodoxie hat sich die islamische Mystik als eine Verinnerlichungsbewegung seit dem 8. Jahrhundert im gesamten arabisch-persischen Raum ausgebreitet. Während die wissenschaftliche Literatur sich bisher mit der Analyse von Quellentexten einzelner Denker vorwiegend mit dem Idealbild der Sufik beschäftigte, geht diese Studie anhand von etlichen Interviews ihrer heute gelebten Form und deren Einbindung im politischen und gesellschaftlichen Bereich am Beispiel Afghanistans nach. Die Autorin zeigt, daß ein Verständnis der dortigen kriegerischen Auseinandersetzungen seit 1978/79 ohne die Darstellung kultureller und religiöser Komponenten nicht möglich ist. So erfolgt einerseits die Rekrutierung der "Kämpfer für die Sache Gottes" (1) mittels zum Teil über Generationen gewachsenen sufischen Lehrer-Schüler-Beziehungen. Andererseits formieren sich, wenngleich vorerst im Exil, in literarisch-sufischen Zirkeln national-demokratische Oppositionsbewegungen, an denen auch im stärkeren Maße Frauen mitwirken. Die Studie zielt auf eine kulturwissenschaftliche Gesamtdarstellung der religiösen Landschaft Afghanistans. Die gesellschaftliche Verankerung sufischer Elemente reicht dabei von dem maßgeblichen Einfluß religiöser Vertreter in Politik und Wirtschaft bis hin zu ihrer festen Einbindung in Kunst, Literatur und Bildung. Die islamische Mystik liefert traditionell den geistigen Hintergrund sowie die religiöse Ausrichtung der afghanischen Gesellschaft. Das Fehlen einer zentralen religiösen Instanz leistete jedoch insbesondere seit Ausbruch des Krieges einer Beliebigkeit in der Auslegung islamischer Gesetze Vorschub. Mit der Überlagerung zentraler religiöser Elemente durch unterschiedlichste politische Interessen verlor der Islam seine übergreifende identitätsstiftende Rolle. In Hinblick auf eine mögliche Friedenslösung sieht die Autorin gerade in der Wiederbelebung sufischer Strukturen eine Chance, die unterschiedlichen ethnischen, politischen und religiösen Gruppen in Afghanistan an eine gemeinsame Zukunft heranzuführen.
Andreas Eis (AE)
Jun.-Prof. Dr., Didaktik des politischen Unterrichts und der politischen Bildung, Institut für Sozialwissenschaften Oldenburg, Fakultät I.
Rubrizierung: 2.68 | 2.23
Empfohlene Zitierweise: Andreas Eis, Rezension zu: Almut Wieland-Karimi: Islamische Mystik in Afghanistan. Stuttgart: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/9915-islamische-mystik-in-afghanistan_11694, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 11694
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Jun.-Prof. Dr., Didaktik des politischen Unterrichts und der politischen Bildung, Institut für Sozialwissenschaften Oldenburg, Fakultät I.
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