/ 21.06.2013

Christian Bolliger
Konkordanz und Konfliktlinien in der Schweiz, 1945 bis 2003. Parteienkooperation, Konfliktdimensionen und gesellschaftliche Polarisierungen bei den eidgenössischen Volksabstimmungen
Bern/Stuttgart/Wien: Haupt Verlag 2007 (Berner Studien zur Politikwissenschaft 17); 514 S.; kart., 52,- €; ISBN 978-3-258-07272-2Politikwiss. Diss. Bern. – Bolliger fragt, wie stark die politische Praxis der Regierungsparteien im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte dem Modell der Konkordanz entsprach und ob diese Praxis zu einer Verminderung gesellschaftlicher Polarisierungen beitrug. Der Begriff der Konkordanz wird dabei in zweifacher Hinsicht verwendet: als Bündel institutioneller Vorkehrungen der Machtteilung und als Handlungsmuster politischer Eliten in Entscheidungsprozessen. Zur konkreten Beantwortung der Fragen untersucht der Autor vier historisch bedeutsame gesellschaftliche Teilungsachsen, als Basis dienen sämtliche 360 Volksabstimmungen, die zwischen 1945 und 2003 stattfanden. Bei diesen Teilungsachsen handelt es sich um die zwischen Protestantismus und Katholizismus, Stadt und Land, den gesellschaftlichen Klassen sowie der Deutschschweiz und dem französischsprachigen Teil des Landes. Die Analyse ergibt als zugespitzte Antwort auf die Fragen nach der Funktionalität und Wirksamkeit der Konkordanz ein „immer weniger“ (467). Bolliger stellt fest, dass nur für die Phase der Nachkriegszeit von einer Blüte der Konkordanz gesprochen werden kann. Um die Jahrtausendwende dagegen gelang es nur noch bei weniger als der Hälfte aller Abstimmungen, sämtliche Regierungsparteien einzubinden. Dabei zeigt sich allerdings, dass einzelne alte Konfliktlinien an Bedeutung verloren – die Klassengegensätze sowie die zwischen den Konfessionen spielen kaum noch eine Rolle. Die Konflikte zwischen Land und Stadt sowie deutsch- und französischsprachigen Schweizern dagegen haben sich verfestigt bzw. vertieft. Den Niedergang der Konkordanz erklärt der Autor vor dem Hintergrund geänderter außenpolitischer Rahmenbedingungen mit den nunmehr gewichtigeren Konflikten zwischen Tradition und Öffnung, Materialismus und Postmaterialismus sowie hinsichtlich der Spielräume von Staat und Wirtschaft. Als einen Abgesang auf die Konkordanz will Bolliger seine Arbeit gleichwohl nicht verstanden wissen: Bleibe gesellschaftliche Integration ein zentrales Ziel schweizerischer Politik, sei auch in Zukunft auf diese zu setzen.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.5 | 2.22 | 2.21
Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Christian Bolliger: Konkordanz und Konfliktlinien in der Schweiz, 1945 bis 2003. Bern/Stuttgart/Wien: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/28820-konkordanz-und-konfliktlinien-in-der-schweiz-1945-bis-2003_34000, veröffentlicht am 21.05.2008.
Buch-Nr.: 34000
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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