/ 22.06.2013
Hans Ulrich Locher
Menschenrechte: Kommunikation und Lebendes Recht
Berlin: Duncker & Humblot 2011 (Schriftenreihe zur Rechtssoziologie und Rechtstatsachenforschung 91); 182 S.; 72,- €; ISBN 978-3-428-13661-2Rechtswiss. Diss. Zürich; Begutachtung: M. Rehbinder. – Die Geltung der Menschenrechte speist sich nicht nur aus ihrer legalen Verankerung in einer Verfassungsordnung, sondern wird auch daran gemessen, ob und wie ihre Verletzung juristisch und politisch sanktioniert wird. Zugleich stößt die Akzeptanz von Menschenrechten im Spannungsfeld zwischen individueller Freiheit und dem staatlichen Gewaltmonopol bzw. der sozialen Gemeinschaft an kulturell, religiös oder traditional begründete Grenzen. Locher versteht Menschenrechte als „lebendes Recht“ (72), als komplexes Ordnungsgefüge, das auf unterschiedlichen Quellen basiert und eine neue Form des Rechtsbewusstseins und der Rechtsdurchsetzung erfordert. Der Autor versucht nachzuweisen, dass die innerhalb der UN-Charta deklarierten Rechte ein globales Kommunikationsnetz entworfen haben, auf dem ein an der modernen Neurologie orientiertes Rechtsbewusstsein aufbauen kann. Der inhaltliche und empirische Beleg, die Publizität der Menschenrechte habe einen grundsätzlichen Wandel des Rechtsbewusstseins hin zur universellen Akzeptanz ausgelöst, gerät verkürzt. Seine an Margaret Gruter orientierte rechtssoziologische und neurowissenschaftliche Infragestellung des Vernunftwesens Mensch, dessen moralisches Handeln auch von der eigenen Hirnkapazität oder eigennützigen Interessen bestimmt ist, idealisiert eine vermeintlich neue Struktur der Menschenrechtsverwicklung, die von einem internationalen Gemeinschaftsgefühl getragen werden soll. Das lebende Recht als lebendiges Recht der Menschenrechte erzeugt keine legitime Sanktionsgewalt gegen Menschenrechtsverletzungen, sondern bleibt selbst ein normatives Postulat. Dies umso mehr, wenn Locher von einer demokratischen Gewaltenteilung innerhalb der gemeinsamen Rechtsordnung der Vereinten Nationen träumt und zugleich ihren utopischen Charakter eingestehen muss.
Ellen Thümmler (ET)
Dr., Politikwissenschaftlerin, wiss. Mitarbeiterin, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 4.42
Empfohlene Zitierweise: Ellen Thümmler, Rezension zu: Hans Ulrich Locher: Menschenrechte: Kommunikation und Lebendes Recht Berlin: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/34652-menschenrechte-kommunikation-und-lebendes-recht_41641, veröffentlicht am 23.02.2012.
Buch-Nr.: 41641
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Dr., Politikwissenschaftlerin, wiss. Mitarbeiterin, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz.
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