Diss. FB Erziehungs-, Sozial- und Geisteswissenschaft FernUniversität Hagen; Erstgutachter: U. von Alemann. - Ausführlich und auch in der Begriffsbildung präzise und strukturiert analysiert der Autor sowohl in theoretisch-normativer als auch in empirischer Hinsicht die parlamentarische Öffentlichkeitsarbeit. Er bezieht sich in erster Linie auf die Organisationsstufe des Gesamtparlaments, weniger auf die Arbeitsebenen von Fraktionen und Abgeordneten. Marschall betrachtet Repräsentation als die zentrale Aufgabe von Parlamenten, da sich demokratische Politik gerade durch die Verbindung mit Öffentlichkeit legitimiere. Repräsentation gliedert er dabei in zwei Bereiche: die responsive Komponente (responsiveness) und das Element der politischen Führung (leadership), dessen Fehlen zu grundlegenden Steuerungsproblemen führe (40 ff.). Nur durch die Herstellung von Publizität und Transparenz schaffe ein Parlament Vertrauen und die Möglichkeit zur Herrschaftskontrolle. Der Autor geht außerdem auf den Strukturwandel der Öffentlichkeit ein, der gekennzeichnet ist durch die Dominanz der Massenmedien bei der Herstellung eines öffentlichen Raumes, die Entstehung von Teilöffentlichkeiten, Kontingenz hinsichtlich der Gestalt von Öffentlichkeit und einen komplexen fortwährenden Wandel (55). Dies führe zu parlamentarischen Repräsentationsproblemen in der modernen Öffentlichkeit, die sich sowohl in der Marginalisierung und Boulevardisierung parlamentarischer Außenkommunikation als auch in einer durch die Massenmedien mediatisierten Willensbildung äußerten (69 ff.). Der Autor versteht Public Relations (PR) von Parlamenten als Kommunikationsmanagement zur aktiven Gestaltung von Öffentlichkeit durch die parlamentarischen Hilfsdienste, damit die kommunikativen Repräsentationsaufgaben des Parlaments (Responsivität, Transparenz) gewährleistet werden (87 f.). Kommunikationsmanagement wird für Marschall notwendig, weil er in der interdependenten Beziehung von Parlament und Öffentlichkeit die parlamentarische Außenkommunikation durch die Dominanz der Massenmedien beeinflußt sieht. Der Autor betrachtet die symmetrisch- dialogische Parlaments-PR als einen Beitrag zur Überwindung der diagnostizierten Repräsentationskrise der Parlamente (233). Neben dem Deutschen Bundestag als zentralem Fallbeispiel und dem österreichischen Parlament zieht Marschall 20 weitere europäische Länderbeispiele zu seiner empirischen Analyse heran. Die Studie schließt mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis. Aus dem Inhalt: I. Parlament und Öffentlichkeit: Funktionen - Strukturen - Beziehungen: 1. Öffentlichkeit: Begriff und Dimensionen; 2. Parlament und Öffentlichkeit - systemnormative Interdependenz; 3. Strukturbedingungen der modernen Öffentlichkeit; 4. Politik und politische Kommunikation der modernen Öffentlichkeit; 5. Parlamentarische Repräsentationsprobleme in der modernen Öffentlichkeit; 6. Bilanz: Das parlamentarische Kommunikationsdilemma. II. Parlaments-PR als Lösung des parlamentarischen Kommunikationsdilemmas?: 1. PR-Funktionen und -Leistungen für die Gesamtgesellschaft und das politische Teilsystem; 2. Funktionen, Aufgaben und Instrumentarium von Parlaments-PR; 3. Gratwanderung: Public Relations und symbolische Politik; 4. Leitbilder: PR als symmetrischer Dialog und verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit; 5. Bilanz: Kann man mit Öffentlichkeitsarbeit das Parlament retten? III. Öffentlichkeitsarbeit der Parlamente – Praxis; IV. Parlaments-PR aus der Sicht der Verwaltungsakteure - Ergebnisse von Experteninterviews mit Akteuren der Bundestagsverwaltung; V. Parlaments-PR zwischen Programm, Leitbild und Praxis. Schlußfolgerungen: Parlaments-PR - ein Beitrag zu einer neoparlamentaristischen Demokratie.