/ 16.04.2015
Bertelsmann Stiftung / Staatsministerium Baden-Württemberg (Hrsg.)
Partizipation im Wandel. Unsere Demokratie zwischen Wählen, Mitmachen und Entscheiden
Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung 2014; 518 S.; brosch., 38,- €; ISBN 978-3-86793-588-3In Zeiten der Post‑ beziehungsweise der, wie Ingolfur Blühdorn es bezeichnet hat, simulativen Demokratie ist es in der Tat angebracht, über den Wandel der Partizipation zu reflektieren: „Die aktuellen Herausforderungen repräsentativer Demokratien haben eine Vielzahl demokratischer Anpassungen ausgelöst. Vor allem innovative Beteiligungsverfahren [...] gewinnen an Bedeutung. In diese Verfahren werden zurzeit große Hoffnungen gesetzt, doch wie sieht der Wandel konkret aus?“ (11). Vor dem Hintergrund gestiegener politischer Ansprüche auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger sowie angesichts von Legitimations‑ und Leistungsdefiziten repräsentativ‑demokratischer Institutionen werden in dem Band deliberative und direktdemokratische Verfahren fokussiert. Deren progressives Potenzial, das sich noch dazu in ihrer gezielten Kombination zu entfalten vermag, wird für die repräsentative Demokratie der Bundesrepublik erörtert, die, so die Autorinnen und Autoren in der Einleitung, „eher eine Nachzüglerin und ein Importland“ (21) sei. In ihrem Schwerpunktbeitrag zeichnen Oscar W. Gabriel und Norbert Kersting nach, wie sich die „politische Partizipation [...] an Entscheidungsfindungsprozessen“ (44), nicht aber das breiter gefasste politische Engagement der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland verändert hat. Alternative, also direktdemokratische, dialogische oder repräsentative Beteiligungsformen, wie sie die Autoren für 27 deutsche Gemeinden evaluiert haben, benötigen als Voraussetzung eine bereits bestehende partizipative politische Kultur: „Die politische Aktivität der Bürgerinnen und Bürger muss Folgen für den politischen Prozess haben, ansonsten wirkt sie kontraproduktiv und untergräbt politisches Vertrauen und politische Zufriedenheit.“ (152) Die Krux liegt aber auf genau der anderen Seite – für die postdemokratisierten Teile der Gesellschaft Vertrauen in ihre Gestaltungsfähigkeit zurückzugewinnen wäre doch eindeutig von größerer Relevanz als bei jenen, die ohnehin schon gut integriert und aktiv sind, Gestaltungsfähigkeit noch einmal zu bestätigen. Neben mehreren Beiträgen, die die deutsche noch um die internationale Perspektive ergänzen, könnte in diesem Zusammenhang insbesondere das Schlusskapitel aufschlussreich sein, in dem die Autorinnen und Autoren anstelle der repräsentativen programmatisch eine „vielfältigere Demokratie“ (489) fordern. Von den acht Kernpunkten, die für deren Implementierung notwendig wären, sticht neben vielen Allgemeinplätzen ein wirklich wichtiger hervor: Es gelte, die Kommunen als primären Lebens‑ und Bezugsraum der Bürgerinnen und Bürger so zu stärken, dass dort, lokal, Politik gestalt‑ und erfahrbar werde.
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Rubrizierung: 2.2 | 2.22 | 2.32 | 2.325 | 2.4 | 2.5 | 2.64 | 2.65 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Bertelsmann Stiftung / Staatsministerium Baden-Württemberg (Hrsg.): Partizipation im Wandel. Gütersloh: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/38305-partizipation-im-wandel_46682, veröffentlicht am 16.04.2015. Buch-Nr.: 46682 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA