/ 05.06.2013
Christiano German
Politik und Kirche in Lateinamerika. Zur Rolle der Bischofskonferenzen im Demokratisierungsprozeß Brasiliens und Chiles
Frankfurt a. M.: Vervuert Verlag 1999 (Americana Eystettensia: Serie B, Monographien, Studien, Essays 9); 517 S.; 45,- €; ISBN 3-89354-959-5Politikwiss. Habilitationsschrift Katholische Universität Eichstätt. - German untersucht das Verhältnis von Politik und Kirche in Lateinamerika vor dem Hintergrund der Militärherrschaften in Brasilien (1964-1985) und Chile (1973-1990). Methodisch geht er komparativ vor und lehnt sich auch an die Typologie von Juan J. Linz an, die Formen der Opposition innerhalb des Autoritarismus abbilden lässt. Im Vordergrund steht die politische Rolle der Bischofskonferenzen im Demokratisierungsprozess der beiden südamerikanischen Länder. Diese wurde nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) und den gemeinsamen Beschlüssen der lateinamerikanischen Episkopate in Medellin (1968) und Puebla (1979) immer progressiver. Der linke Flügel innerhalb der katholischen Kirche gewann an Einfluss, jedoch nicht in ganz Lateinamerika. German belegt den Einsatz der Kirche für die Einhaltung der Menschenrechte, für die Indianer und später die konstitutionelle Ausgestaltung des Gemeinwesens in den beiden untersuchten Ländern. Er zeigt auf, dass dieser Einsatz nicht ohne Widerspruch blieb. Beispielsweise wurde in Brasilien einigen Missionaren der Zutritt zu Indianergebieten verboten. Für die von der Kirche angestoßenen Menschenrechtsdiskussion und die Dokumentation der Menschenrechtsverletzungen der Militärs im Buch "Brasil: Nunca Mais!", zu Deutsch "Brasilien: nie wieder!", erntete die Kirche zunächst heftige Kritik. Später wurde diese Dokumentation eine wesentliche Grundlage für die Auseinandersetzung mit dem düstersten Kapitel der brasilianischen Militärdiktatur.
Die Position der lateinamerikanischen Kirchenführer war jedoch nicht immer so eindeutig. Früher wurde mit Blick auf die Geschichte der katholischen Kirche in Lateinamerika von einer "Unheiligen Allianz" gesprochen. Dieses Bündnis mit den Oligarchien trug viel zum Ruf als sozialkonservative und fortschrittsfeindliche Institution bei. Erst in den Sechzigerjahren zeichnet sich eben dieser langsame, aber signifikante Wandel ab. Die Veränderung innerhalb des institutionalisierten Teils der katholischen Kirche schildert German deutlich und faktenreich. Dies ist auch der wesentliche Unterschied zu den wenigen Publikationen, die es zu diesem Themenkomplex gibt. Er nimmt nicht die kleinen Basisbewegungen oder einzelne theologische Konzepte in Augenschein, sondern blickt auf die institutionellen Ausprägungen der südamerikanischen Kirche und zeigt auch die inneren Widersprüche der Institution auf.
Aus dem Inhalt: II. Zum Wandlungspotential autoritärer Herrschaftssysteme und der katholischen Kirche in Lateinamerika: 1. Der Wandel autoritärer Regime in Lateinamerika: 1.1 Die politikwissenschaftliche Debatte; 1.2 Die Kirche als politischer Akteur. 2. Zum kirchlichen Wandel in Lateinamerika: 2.1 Das neue kirchliche Selbstverständnis; 2.2 Grundzüge der kirchenpolitischen und gesellschaftlichen Entwicklung in Brasilien und Chile. III. Die Rolle der Bischofskonferenzen im Liberalisierungs- und Demokratisierungsprozeß Brasiliens und Chiles: 1. Fallstudie Brasilien (1964-1990); 2. Fallstudie Chile (1973-1990). IV. Die oppositionelle Tätigkeit der Bischofskonferenzen in Brasilien und Chile im Vergleich: 1. Die Bischofskonferenzen als politische Opposition; 2. Zur Kohärenz der Verlautbarungen der Episkopate; 3. Rolle und Bedeutung weiterer politischer Akteure im Überblick.
Bernhard Stelzl (BHS)
Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.65 | 2.23
Empfohlene Zitierweise: Bernhard Stelzl, Rezension zu: Christiano German: Politik und Kirche in Lateinamerika. Frankfurt a. M.: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/8279-politik-und-kirche-in-lateinamerika_10910, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 10910
Rezension drucken
Politikwissenschaftler.
CC-BY-NC-SA