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/ 21.06.2013
Janick Marina Schaufelbuehl (Hrsg.)

1968-1978. Ein bewegtes Jahrzehnt in der Schweiz/Une décennie mouvementée en Suisse

Zürich: Chronos Verlag 2009; 333 S.; brosch., 31,- €; ISBN 978-3-0340-0974-4
Die Autorinnen und Autoren des Bandes wenden sich gegen das Vorurteil, dass es in der Schweiz keine 86er-Bewegung gegeben habe. Tatsächlich, so wird aus den Beiträgen deutlich, waren die Jahre zwischen 1968 und 1978 auch in der Alpenrepublik ein Jahrzehnt bedeutender sozialer, politischer und kultureller Umbrüche. Brigitte Studer untersucht die neuen politischen Prinzipien und Praktiken der 68er-Bewegung im Hinblick auf lokale Aneignungen transnationaler Muster in der Schweiz. Entgegen anderen Deutungsmustern spricht sich die Autorin für eine interpretatorische Politisierung von 68 aus. Was dafür spreche, sei „in erster Linie der politische Globalitäts- und Totalitätsanspruch der 68er selbst“ (39). In ihrem theoretischen Selbstverständnis war bekanntlich auch das Private politisch. Mit Politisierung meint Studer dabei nicht nur den historiografischen Deutungsprozess, sondern auch auf der Ebene der sozialen Realität einen Prozess, indem sich zunehmend mehr Personen mit dem politischen Geschehen als ihrer Angelegenheit identifizierten. Sie identifiziert drei Ensembles kognitiver Praktiken: Das erste besteht in Ablehnung jedweder sozialen Hierarchie im Postulat eines absoluten Gleichheitsprinzips, das zweite lag im Bereich der Freiheit oder „der Autonomie und Emanzipation“ (42) und drittens benennt Studer schließlich die Solidarität. Dabei zeigen ihre Beispiele zu Gleichheit und Freiheit, wie kompliziert es ist, begrifflich trennscharf zu arbeiten. Aus diesen kognitiven Ensembles resultierte eine fundamentale Gesellschaftskritik, „die Historizität der gesamten Sozialstrukturen stand nun plötzlich im Scheinwerferlicht“ (44). Marc Griesshammer betrachtet die Erscheinung der Vietnamsolidarität in der Schweiz. Diese habe sich vor allem aus zwei Kräften gespeist: der Friedensbewegung und der studentischen Neuen Linken. Wichtige Erscheinungen in diesem Kontext waren die Neutralitätsdebatte und der darin kursierende Begriff der Gesinnungsneutralität. So wirkte die Solidarität nach innen vor allem als „Definition der eigenen Identität“ (132) in Abgrenzung gegen das Establishment.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.52.222.232.27 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Janick Marina Schaufelbuehl (Hrsg.): 1968-1978. Zürich: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/31636-1968-1978_37681, veröffentlicht am 10.03.2010. Buch-Nr.: 37681 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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