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/ 03.07.2014
Sonja Grigat

Umkämpfte Herrschaft. Eine figurationssoziologische Untersuchung des Friedensprozesses in Mindanao

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2014 (Mikropolitik der Gewalt 10); 306 S.; kart., 39,90 €; ISBN 978-3-593-50094-2
Diss. Magdeburg; Begutachtung: K. Schlichte, U. Schneckener. – Versuche zur Beendigung langanhaltender Konflikte sind häufig komplex, langwierig und gegenüber Störungen höchst anfällig. Folgt man den Thesen Sonja Grigats, kommt hinzu, dass sich während eines Konflikts die Macht‑ und Herrschaftsverhältnisse verändern können und somit einen relevanten Faktor in Friedensprozessen darstellen. Diesen Einfluss von „alternativen Ordnungen“ (15), d. h. das Machtstreben und die Herrschaftsausübung der beteiligten Akteure, macht Grigat zum zentralen Gegenstand ihrer Analyse des Friedensprozesses im philippinischen Mindanao. Sie geht in ihrer theoretischen Untersuchung über vorhandene Policy‑Studien hinaus, indem sie Begriffe und Methoden aus der politischen Soziologie in die Forschung zur Konfliktbearbeitung einbringt. Das Konzept der Weltgesellschaft und der Rückgriff auf Nobert Elias‘ Prozess‑ und Figurationstheorie ermöglichen es ihr dabei nach eigener Aussage, mit der Historizität, Komplexität und Prozesshaftigkeit „drei wesentliche Merkmale von Friedensprozessen als gesellschaftliche Phänomene stärker zu berücksichtigen als dies in vielen gängigen Forschungsarbeiten üblich ist“ (29). Konkret entwickelt Grigat für ihren Untersuchungsfall neben den Figurationen des neopatrimonialen Staates, des Quasi‑Staates und des Warlords mit der Verhandlungsfiguration einen weiteren Typ von Interdependenzgeflechten, in denen Akteure eines Friedensprozesses um Herrschaft ringen. Während der philippinische Staat wenig überraschend als neopatrimoniale Figuration identifiziert wird, behandelt Grigat die Bürgerkriegsakteure Moro National Liberation Front (MNLF) und Moro Islamic Liberation Front (MILF) differenziert. Die MNLF wird von ihr als Warlordfiguration verstanden, da diese – anders als die MILF – nicht in der Lage gewesen ist, quasi‑staatliche Strukturen im Sinne einer umfangreichen Gewalt‑ und Territorialkontrolle aufzubauen. Als Untersuchungsergebnis kommt dabei auch zum Vorschein, dass der Grad der Institutionalisierung und die Art der Ausübung von Herrschaft durch die unterschiedlichen Akteure einen Einfluss auf deren Möglichkeiten zur Gestaltung des Friedensprozesses haben. Daraus folgend ergibt sich für Grigat unter anderem, dass nicht Machtkämpfe zwischen, sondern innerhalb der Akteure Ursachen für Probleme in Friedensprozessen sein können. Letztere werden für diese Akteure somit „Machtmittel im Ringen um die Durchsetzung ihrer Macht‑ und Herrschaftsansprüche“ (225), die sich immer auch auf den Staat als Ganzes beziehen.
Christian Patz (CPA)
M.A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Institut für Sozialwissenschaften, Fachbereich Politikwissenschaft, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Rubrizierung: 2.682.252.232.21 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Sonja Grigat: Umkämpfte Herrschaft. Frankfurt a. M./New York: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37251-umkaempfte-herrschaft_45535, veröffentlicht am 03.07.2014. Buch-Nr.: 45535 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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