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/ 06.06.2013
Hans-Peter Schneider (Hrsg.)

Das Grundgesetz in interdisziplinärer Betrachtung

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2001 (Hannoversches Forum der Rechtswissenschaften 18); 209 S.; brosch., 34,77 €; ISBN 3-7890-7212-5
Zur Erinnerung an die Beratungen des Parlamentarischen Rates vom September 1948 bis Mai 1949, aus denen das Grundgesetz hervorging, veranstalteten der Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Hannover und das Deutsche Institut für Föderalismusforschung im Wintersemester 1998/99 eine Ringvorlesung, deren Beiträge in diesem Band versammelt sind. Die Aufsätze behandeln vor allem die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes, aber auch verschiedene Einzelaspekte sowie Konfliktfelder und stellen internationale Vergleiche an. Das geschieht aus historischer, juristischer und sozialwissenschaftlicher Sicht, wobei die genaue Zuordnung erheblich erschwert wird, da biographische Angaben zu den einzelnen Autoren fehlen. Die Autoren, die sich mit der Entstehung des Grundgesetzes befassen, machen vor allem die starke Abhängigkeit der damaligen Akteure von den Westalliierten deutlich. Für Massing handelt es sich um eine "laut Auftrag der Besatzungsmächte auszubaldowernde Verfassung" (79). Nicht nur der Stil Massings ist an manchen Stellen ungewöhnlich, auch einige Thesen provozieren Widerspruch. Etwa die von der "nicht unbeträchtlichen Anziehungskraft" der Sowjetischen Besatzungszone auf die "westliche Seite Deutschlands" (77), deren "Reformen" auch im Westen "durchaus mit Zustimmung hätten rechnen können" (76). Er kritisiert den Prozess der Verfassungsbildung, der ebenso wie spätere Revisionen nicht vom Volk, dem Souverän, ausgegangen seien, sondern von den politisch handlungsfähigen Akteuren (83). Die Europäische Union sieht er ebenso kritisch, in der "an die Stelle nationalstaatlich verantworteter, das heißt ausschließlich verfassungsrechtlicher Steuerungsleistungen durch binnenstaatlich begründete und parlamentarisch demokratisch kontrollierte Souveränitätsausübung [...] der administrative, transnational legitimierte politische Durchgriff" trete (95). In dem folgenden Aufsatz kommt Nass zu einem anderen Ergebnis: "Alle vier Elemente demokratischer Verfassungen - Legitimation, Kontrolle und Transparenz hoheitlicher Macht sowie die Partizipation der Völker - sind in der EU/EG verwirklicht." (122) Der Band ist zwar zur Einführung nicht geeignet, bietet dafür aber sehr unterschiedliche Positionen zu einigen Aspekten der Verfassungsentstehung und -fortentwicklung, vor allem den neuen Herausforderungen, vor denen das föderale System der Bundesrepublik und die Europäische Union stehen. Inhalt: Wolfgang Benz: Die Neugestaltung Deutschlands zwischen Weststaat und Provisorium (9-20); Michael Bothe: Konkurrenz, Kooperation oder Konflikt? Wandlungen der bundesstaatlichen Ordnung (21-34); Alexander v. Brünneck: Grundgesetz und internationale Ordnung (35-39); Friedhelm Hufen: Entstehung und Entwicklung der Grundrechte (41-55); Jörg-Detlef Kühne: Verfassungsvorbilder für das Grundgesetz. Von der Paulskirchenverfassung zum Grundgesetz (57-70); Otwin Massing: Von der oktroyierten zur revidierten Verfassung. Verfassungsgeschichte als Gesellschaftsgeschichte (71-108); Klaus Otto Nass: Das Grundgesetz und Europa. Kritische Bemerkungen zur Legitimität der europäischen Organe und zum neuen Artikel 23 des Grundgesetzes (109-122); Joachim Perels: Das Grundgesetz zwischen historischen Erfahrungen und tradierter Interpretationsmacht (123-138); Wolfgang Renzsch: Die Finanzverfassung: Ein Dauerproblem des Föderalismus? (139-158); Hans-Peter Schneider: Das Grundgesetz als Vorbild? Sein Einfluß auf ausländische Verfassungen (159-173); Jürgen Seifert: Die Notstandsverfassung im Grundgesetz. Auseinandersetzungen (1958-1968) und Einschätzung (175-189); Wolfram Werner: Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee und der Parlamentarische Rat (191-209).
Henry Krause (HK)
Dipl.-Politologe, Referatsleiter, Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, Dresden.
Rubrizierung: 2.322.213.2 Empfohlene Zitierweise: Henry Krause, Rezension zu: Hans-Peter Schneider (Hrsg.): Das Grundgesetz in interdisziplinärer Betrachtung Baden-Baden: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/8778-das-grundgesetz-in-interdisziplinaerer-betrachtung_17150, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 17150 Rezension drucken
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