/ 31.05.2013
Warnfried Dettling
Politik und Lebenswelt. Vom Wohlfahrtsstaat zur Wohlfahrtsgesellschaft
Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung 1995; 214 S.; brosch., 32,- DM; ISBN 3-89204-207-1Angesichts der immer noch zunehmenden Überforderung des Wohlfahrtsstaates stellt Dettling die Frage, wie überhaupt Orientierungsprobleme des Einzelnen in der (post-)modernen Gesellschaft gelöst werden können. Auf dieser Grundlage entwickelt Dettling ein Konzept, um den insbesondere in der Arbeits- und Sozialpolitik überforderten Staat zu entlasten. Die gegenwärtig wahrgenommene Krise der Institutionen des Wohlfahrtsstaates zeige deren Überlastung. Das Ziel muß sein, bisher öffentlich-staatliche Angelegenheiten in die Hände selbstorganisierender gesellschaftlicher Kräfte zurückzuführen. Die Gesellschaft soll aktiviert und aus staatlicher Abhängigkeit geführt werden. Theoretischer Hintergrund ist A. Etzionis active society.
Der Autor setzt an bei den "kleinen Lebenswelten" der Arbeit, Familie und Nachbarschaft. Hier entstehen die geistigen (Wert-)Orientierungen des Einzelnen, die auch auf den politischen Bereich einwirken. In diesem sozialen Nahbereich liege deshalb das Aktionsfeld für neue bürgergesellschaftliche Einrichtungen, die zur Stabilität von Demokratie und Wohlfahrtsstaat beitragen. Die "Mechanismen der Eigenverantwortung und Selbstorganisation bergen Innovationschancen und Ressourcen für unsere Gesellschaft." (10)
Die derzeitige Sozialpolitik dagegen klammere "sich an den Status quo wie an die Masten auf einem sinkenden Schiff" (43). In der Bundesrepublik sei eine "soziale Dienstleistungskatastrophe" (54) abzusehen. Den neuen gesellschaftlichen Konfliktlinien, Arbeit vs. Arbeitslosigkeit und Arbeit vs. Familie, sei nicht mehr mit Markt und Staat zu begegnen, sondern mit weniger Staat und mehr gesellschaftlicher Initiative, dem Aufbau neuer sozialer Beziehungen. Dettling konkretisiert sein "Reformkonzept für den Übergang vom Wohlfahrtsstaat zur Wohlfahrtsgesellschaft" (10) am Beispiel der Politik für ältere Menschen, der Arbeitsmarkt- und Familienpolitik. Neben Selbsthilfeprojekten und Eigeninitiativen verschiedenster Art wird der Aufbau neuer sozialer Netze angeregt. Der Autor skizziert ein handlungsorientiertes "kommunitäres Leitbild" (67) einer kompetitiven und sozial produktiven Gesellschaft, gerade um auch dem Orientierungsverlust durch Individualisierung und Pluralisierung zu begegnen.
Aus dem Inhalt: 1. Ein "orientierender" Rückblick auf die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; 2. Die drei Phasen der Wohlstandsgesellschaft; 3. Von der alten zur neuen Bundesrepublik; 4. Soziale Orientierungen in einer individualisierten Gesellschaft; 5. Die kompetitive und sozial produktive Gesellschaft - und was Politik dafür tun kann; 6. Mehr Arbeit - aber wie?; 7. Soziale Dienste für die Älteren - aber anders!; 8. Brücken zwischen Familie und Arbeitswelt; 9. Eine Wohlfahrtsgesellschaft, die Sinn macht.
Stefan Lembke (SL)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.2 | 2.331 | 2.342 | 2.35 | 2.36
Empfohlene Zitierweise: Stefan Lembke, Rezension zu: Warnfried Dettling: Politik und Lebenswelt. Gütersloh: 1995, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/492-politik-und-lebenswelt_261, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 261
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M. A., Politikwissenschaftler.
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