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/ 21.06.2013
Thomas Flierl / Elfriede Müller (Hrsg.)

Vom kritischen Gebrauch der Erinnerung

Berlin: Karl Dietz Verlag 2009; 175 S.; brosch., 16,80 €; ISBN 978-3-320-02171-9
Die Herausgeber konstatieren im Vorwort eine starke Veränderung der „Beziehungen von Geschichtsschreibung, Erinnerungskultur und Geschichtspolitik in den letzten zwei Jahrzehnten“ (7). Nicht nur habe das allgemeine Interesse an Geschichte zugenommen, es sei gar ein Boom an neuen Museen, Denkmalen und Erinnerungsorten festzustellen. Diese Entwicklung werde freilich in seiner gesellschaftspolitischen Bedeutung von einer entsprechenden Gedenkstätten- und Geschichtspolitik begleitet, führen Flierl und Müller weiter aus. In dem Band werden einzelne Aspekte deutscher und westeuropäischer Erinnerungskultur behandelt. Enzo Traverso spricht in seinem Beitrag, in dem er einen kritischen Gebrauch der Erinnerung fordert, gar davon, dass die Geschichte zu einer Art „Zivilreligion“ (34) aufgestiegen sei. Traverso sieht dies im „Verschwinden der Utopien“ (30) begründet. Mit dem Untergang des Kommunismus sei der Mangel eines Projekts für die Zukunft offensichtlich geworden: „Das Bedürfnis, das vergangene Jahrhundert neu zu denken, drängte sich auf in einer Welt ohne Utopien, ohne Zukunft, unfähig, das Werden ins Auge zu fassen“ (30). Dass der Antifaschismus durch seine Transformation in die Staatsideologie der DDR seither in Misskredit geraten ist, warnt Traverso, „müsste uns nachdenklich stimmen“ (45). Auch Régine Robin befasst sich mit der DDR oder besser deren „Verschwinden im kollektiven Gedächtnis“. Dieses Phänomen sieht die Autorin im Kontext eines „neuen Zeitalters der Erinnerung“ (49). Darunter versteht Robin eine neue Lesart der Vergangenheit, die die Tendenz habe, Opfer und Täter auf die gleiche Stufe zu stellen. In diese Logik stellt die Autorin auch die Rede Richard von Weizsäckers vom 8. Mai 1985, in welcher er vom 8. Mai als Tag der Befreiung der Deutschen spricht. Mit diesem „Gründungsdiskurs“ (51) seien Täter in Opfer verwandelt worden und sei es letztlich auch möglich geworden, die DDR immer wieder mit dem Nationalsozialismus gleichzusetzen.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.232.35 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Thomas Flierl / Elfriede Müller (Hrsg.): Vom kritischen Gebrauch der Erinnerung Berlin: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/30514-vom-kritischen-gebrauch-der-erinnerung_36224, veröffentlicht am 26.08.2009. Buch-Nr.: 36224 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
CC-BY-NC-SA
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