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/ 22.06.2013
Gergana Bulanova-Hristova

Von Sofia nach Brüssel. Korrupte Demokratisierung im Kontext der europäischen Integration

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2011 (Nomos Universitätsschriften: Politik 176); 433 S.; 69,- €; ISBN 978-3-8329-6037-7
Diss. FU Berlin; Gutachter: P. Eigen, H. Sundhaussen. – Bulgarien habe „den Ruf des korruptesten EU-Mitglieds“, nur dort blieben „selbst die erschütternsten Korruptionsaffären auf den hohen Regierungsebenen unaufgeklärt“ (18) – trotz beeindruckender Antikorruptionskampagnen, die im Rahmen der Demokratisierungs- und Europäisierungsprozesse eingeleitet worden seien. Die Autorin fragt, wieso es das Land nicht schafft, die politische Korruption zu bekämpfen: Will die Regierung dies schlicht nicht? Oder liegen Systemschwächen vor? Nach einer Bestandsaufnahme der Korruption anhand der Beobachtungen u. a. von Transparency International, der Weltbank und einer auf diese Frage spezialisierten bulgarischen NGO stellt Bulanova-Hristova fest, dass sich die überdurchschnittlich verbreitete Korruption darin zeigt, dass gegen Mandatsträger überhaupt keine Ermittlungen aufgenommen werden oder nur gegen ehemalige, die freigesprochen werden. Einflussreiche Akteure (nicht-parlamentarische und/oder wirtschaftliche Interessengruppen) sind nach Erhebung der Bertelsmann Stiftung zudem in der Lage, Regierungsbeschlüsse zu blockieren; Auftragsmorde bleiben unaufgedeckt. Die Autorin formuliert daher die These, dass „es sich im Fall Bulgariens um punktuell begrenzte Staatlichkeit handelt“ (141). Ausdrücklich hält sie fest, dass dieser Mangel nicht im Strafrecht begründet liegt, dieses biete eine gute Sanktionsbasis. Überhaupt sei die Situation der Staatskapazitäten (Ressourcenausstattung, Autonomie der Institutionen, mögliche Einbettung der Aufklärung in die Zivilgesellschaft) de jure nicht nur zu kritisieren. Es fehle de facto aber die Praxis der Ermittlung und Strafverfolgung. Auch sei keine Vermögenskontrolle implementiert – die Wahrnehmung, dass Interessenkonflikte unzulässig und kriminell seien, sei noch neu. Von dieser fehlenden finanziellen Überwachung profitierten auch die Parteien. Die Autorin bilanziert außerdem, dass die Wirkungen der Europäisierung auf die Korruptionsbekämpfung nur ambivalent zu beurteilen seien – gute Vorhaben seien zu hektisch umgesetzt und zu sehr die Regierung gestärkt worden. Insgesamt sei auch nach dem EU-Beitritt eine schwache Leistungsfähigkeit staatlicher Institutionen und eine auf alten Verbindlichkeiten aufbauende Gesellschaft erhalten geblieben – deshalb „sind Staat und Gesellschaft weit davon entfernt, für eine wirksame Korruptionsbekämpfung optimal vorbereitet zu sein“ (378).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.612.212.222.233.5 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Gergana Bulanova-Hristova: Von Sofia nach Brüssel. Baden-Baden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/33795-von-sofia-nach-bruessel_40480, veröffentlicht am 08.09.2011. Buch-Nr.: 40480 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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