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Rezension / 14.06.2021

Stephan Bierling: America First. Donald Trump im Weißen Haus: Eine Bilanz

München, C.H. Beck 2020

Rezensent Arno Mohr nimmt das Buch von Stephan Bierling, Professor für Internationale Beziehungen in Regensburg, zum Anlass, essayistisch auf die zurückliegende Regentschaft Donald Trumps zu blicken und sein Handeln unter den Schlagwörtern Byzantinismus und Caesarismus zu erörtern. Diese Prinzipien habe sich Trump zur Maxime seines Regierungshandelns beziehungsweise seiner -rhetorik gemacht. Bierling untermauere anhand zahlreicher Beispiele, dass sich Trumps Geltungssucht sowohl in der Innen- als auch der Außenpolitik gezeigt habe – zum Teil habe sie sich jedoch als kontraproduktiv erwiesen. 

Von den bislang veröffentlichten Büchern über Donald Trump und seine Präsidentschaft in deutscher Sprache erscheint mir das von Stephan Bierling, eines gründlichen Kenners der US-amerikanischen Außenpolitik, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Regensburg, mit das gescheiteste zu sein. Das Feuilletongenre hat diese Präsidentschaft mit ihren Verheißungen, Konfusionen, politischen und persönlichen Verstümmelungen sowie ihrer Exzentrik schon ausgiebig traktiert. Vieles ist dabei aus dem Bauch heraus für den Tag geschrieben. Bierling bringt die erforderliche Struktur in seinen Gegenstand und fördert und formt aus dem, was er an Stoff bietet, ein schlüssiges Verständnis für diese Zeitspanne, die für den europäischen Beobachter so frustrierend und unglaublich war. Daher nimmt dieser Beitrag Bierlings Buchs zum Anlass, essayistisch auf die zurückliegende Regentschaft Trumps zu blicken und sein Handeln unter den Schlagwörtern Byzantinismus und Caesarismus zu erörtern.

Bierlings Buch ist in 15 Kapitel gegliedert. Davon sind sieben außenpolitischen Bereichen gewidmet, die wie folgt aufgeschlüsselt sind: Kapitel 5 behandelt die Handelspolitik, insbesondere den Handelskrieg mit China. Kapitel 9 erfasst das amerikanische Verhältnis (oder Nichtverhältnis) im Hinblick auf die Europäische Union, die NATO sowie Deutschland, Beziehungen, die im „Fadenkreuz“ (151) der Trump-Administration standen. Die beiden folgenden Abschnitte betreffen die „Russland-Kapriolen“ (166) Trumps sowie den Mittleren Osten (Saudi-Arabien, den syrischen Bürgerkrieg, den israelisch-palästinensischen Dauerkonflikt sowie Afghanistan). Den Schlusspunkt der außenpolitischen Kapitel bildet der „Krisenherd Ostasien“ ([188], China, Nordkorea). Den innenpolitischen Problemen und der innenpolitischen Ausschlachtung außenpolitischer Themen sind sechs Kapitel vorbehalten: In je einem Kapitel werden die Immigration, die Wirtschaftspolitik, die „Kulturkriege“ ([129], „Rechte Richter“ [130], Trumps Inszenierung als „neuer Kyros“ [134], der sich den kompromisslosen Schutz Israels auf die Fahnen geschrieben hatte), die „Trump-Doktrin“ („‚America First‘“ [141], Isolationismus), das Impeachment-Verfahren und abschließend die Corona-Pandemie behandelt.

Die wichtigsten Abschnitte für das Vorhaben dieses Beitrags sind aber die ersten drei Kapitel. In ihnen charakterisiert Bierling sehr eindrucksvoll anhand für sich sprechender Beispiele die selbstgerechte, solipsistisch-egomanische Grundstruktur von Trumps Persönlichkeit und wie er diese innerhalb seiner Mitarbeiterstäbe (einschließlich der externen Berater) und den politischen Institutionen zur Geltung brachte und es sich zur Aufgabe machte, ihnen seinen uneinsichtigen Willen aufzuoktroyieren. Ebenso geht es darum, wie das Ausleben der Geltungssucht dieses Präsidenten auf seine große Anhängerschaft und die amerikanische Gesellschaft insgesamt eingewirkte. Die von Bierling behandelten Anwendungsfelder geben beredt Auskunft über Trumps Auffassung von Leadership, die provozierend und kraftmeierisch zu nennen weit untertrieben ist.

Zwei Grundkomponenten, so scheint es, kennzeichneten Trumps Regierungshandeln: Byzantinismus und Bonapartismus. Ich verwende die beiden Begriffe im vorliegenden Kontext um Tendenzen in der Ära Trump anzuzeigen, die dessen Regierungsstil unter den Bedingungen eines massenmedialen Präsentismus plastischer hervortreten lässt. Für mich handelt es sich daher um Idealtypen, da sie nicht alle Windungen und Wendungen in Trumps Präsidentschaft abbilden und vorhandene Inkonsistenzen nicht vollständig erklären können.

Mit ‚Byzantinismus‘ ist eine Art Idolatrie von Untergebenen gegenüber ihrem Herrscher zu verstehen. Der Begriff ist in Bezug auf die Präsidentschaft Trumps nicht ganz einwandfrei angewandt, schließlich verknüpft sich damit eine Bilderverehrung des Herrschers im Sinne eines Götzendienstes. Im 19. Jahrhundert hat sich in der politisch-sozialen Sprache im Deutschen zudem der Begriff ‚Cäsarismus‘ im Sinne von ,Despotismus‘ eingebürgert. Von ‚Cäsarismus‘ leitet sich der Begriff ‚Cäsarenwahn‘ her, also die despotischste Form von Gewaltherrschaft mit pathologischen Zügen. Das 20. Jahrhundert ist prall gefüllt mit dieser Herrscherspezies. In ihr vereinen sich Hybris, Größenwahn, Selbstvergötterung, Neigung zum Verfolgungswahn – alles Charaktereigenschaften, die sich unschwer auch bei Trump finden lassen. Trump stellt den lebenden Beweis dafür dar, dass auch demokratische Systeme einen solchen Politikertyp hervorbringen können, wenn die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Ausgangsbedingungen und Kontexte entsprechend strukturiert sind.

Vermutlich ohne sich dessen bewusst zu sein, hat Trump das Prinzip des Byzantinistischen zur Maxime seines Regierungshandelns beziehungsweise seiner Regierungsrhetorik gemacht. Bierling hat dieses Phänomen in den ersten Kapiteln seines Buches recht komprimiert, aber sehr aufschlussreich vor Augen geführt. Er zitiert den zwielichtigen Anwalt Roy Cohn, der schon zu McCarthys Zeiten als ‚Kommunistenfresser‘ sein Unwesen trieb, und Trump als juristischer Berater und Einflüsterer zur Seite gestanden hatte mit drei Ratschlägen, die bestens zum byzantischen Typ der Machtausübung passen: „1) Suche nie einen Kompromiss, gib nie auf, 2) Geh zum Gegenangriff über, schlage mit aller Kraft zurück und verklage sofort die andere Seite und 3) Egal, was passiert, erkläre dich zum Sieger und gestehe nie eine Niederlage ein.“ (23) Bierling gibt viele weitere Beispiele dafür, die erschreckend zu erkennen geben, wie Trump tickt, wie er sich ‚Politik-Machen‘ vorstellt:. So bedrängte Trump, um ein bestürzendes Beispiel zu geben, den japanischen Ministerpräsidenten Shinzō Abe, ihn für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen (69, 211). Seinen innenpolitischen Widersachern gegenüber – den Republikanern wie den Demokraten – begegnete er mit einer militant-aggressiven Phraseologie, die nur eines im Sinn hatte: ihn als den großen „Retter der Nation“ erscheinen zu lassen, der angetreten sei, den Augiasstall des Washingtoner Establishments auszumisten („drain the swamp“), „to make America great again“. Seine Maßlosigkeit, sein Hang, bei sich als Opfer dunkler Mächte hinzustellen und anderen die Schuld für eigenes Versagen in die Schuhe zu schieben und sie öffentlich zu diskreditieren, gehörten zu den ‚Geschäftsgrundlagen‘ seines Regiments.

Trump war, auch das kommt in Bierlings Monografie deutlich hervor, vor allem Instinktpolitiker: „Mein Bauch sagt mir manchmal mehr, als mir das Gehirn von jemandem anderen je sagen kann.“ (57) Kompetente Expertise – das zeigte sich vor allem in der Außenpolitik – wischte er unkommentiert zur Seite. Sein Misstrauen gegenüber den Geheimdiensten, den Militärs, den wirtschafts- und finanzpolitischen Beratern war allen Betroffenen bekannt: „Mein primärer Berater bin ich selbst, und ich habe einen guten Instinkt für das Zeugs.“ (66)

So war Trump auch gefürchtet für seine Rachsucht und verstand, wie Bierling zeigt, unter Loyalität vor allen Dingen ‚Kadavergehorsam‘: Ungefähr in der Mitte seiner Amtszeit ging Trump dazu über, seinen Stab mit intellektuell unbedarften Parteigängern zu bestücken, die über keinerlei Regierungspraxis verfügten, aber Trump bedingungslos dienten. Der Regierungsapparat verwandelte sich endgültig in ein personifiziertes ‚Herr-Knecht-System‘, das einem politischen Tollhaus eher entsprach als einer einigermaßen funktionaläquivalent ausgerichteten Regierungspraxis. Bierling schreibt, dass nach 18 Monaten Trump-Präsidentschaft 61 Prozent seiner wichtigsten Mitarbeiter die Regierung verlassen hatten. So resignierten Stabschef John Kelly und Verteidigungsminister James Mattis im Dezember 2018, die noch versucht hatten, die Trump'sche Exzentrik in außen- und sicherheitspolitischen Fragen abzumildern (76). Selbst Hardliner wie Steve Bannon oder John Bolton verloren das Vertrauen ihres Chefs. Die Zeit der Mäßigung war nun endgültig ad absurdum geführt (79) und der Regierungsapparat verwandelte sich endgültig in ein personifiziertes ‚Herr-Knecht-System‘.

Den Begriff ‚Bonapartismus‘ hatte zuerst Karl Marx in der politischen Debatte salonfähig gemacht und ihn auf den Staatsstreich Louis Napoleons, dem späteren Napoleon III., am 2. Dezember 1851 und dessen autoritäres Regime bezogen. Ganz so weitreichende Machtansprüche, wie sie Napoleon III. erhob, möchte man Trump nicht unterstellen. Sein Bonapartismus besaß aber eine durchaus vergleichbare Grundlage: Wie Napoleon III. verstand er es, plebiszitäre Elemente zur Sicherung seiner Herrschaft heranzuziehen: Dabei war der Adressat weniger die ganze amerikanische Nation. Vielmehr richtete sich der Vollzug des quasi ‚täglichen Referendums‘ lediglich an seine Anhänger. Bei seinen Wählern holte sich Trump die Zustimmung, die er brauchte, um seine Politik zu legitimieren und seine Gegner bloßzustellen und selbst als alle überragenden ‚dealmaker‘ ins Rampenlicht zu stellen.

Wer waren seine Anhänger und Wähler? Woher kamen sie? Während die Unterstützer der Demokraten eher in den Städten, dem „natürliche[n] Habitat“ von Studierenden, Intellektuellen, Kunstschaffenden, Minoritäten leben, befinden sich das Farmerland im Mittleren Westen und die Gebiete in den Rocky Mountains mehr oder weniger fest in republikanischer Hand. In diesen Staaten leben überwiegend Weiße, tief religiöse Protestanten oder Evangelikale. Es waren auch die sich abgehängt gefühlten Stahl- und Bergarbeiter im Osten (zum Beispiel in Michigan oder Pennsylvania), die in Trump den „Retter“ erblickten, von dem sie sich versprachen, dass er ihnen Arbeit und Brot servierte (die sogenannten „deplorables“, 53). Für alle diese Wählergruppen war Trump der große Kommunikator, der in ihrem Sinne alles richten würde. Seine permanente Indoktrinierung seiner Gefolgsleute mit seiner recht simplen Rhetorik, seine mit großem Pomp drapierten Ansprachen, seine Show-Effekthascherei verfehlte ihren Eindruck nicht. Dennoch war Trump nicht nur ein Opportunist, sondern auch „getrieben von einer unersättlichen Gier nach öffentlichem Applaus“ (60), wie Bierling den Journalisten Joshua Green zitierend richtig herausstreicht

Bonapartistische Usurpatoren unterwerfen sich den Staat, stützen sich auf die Zustimmung der Massen und manipulieren durch Gefügigkeit ihrer Medien die öffentliche Meinung. Trumps bonarpatistisches Credo bestand in der Inbesitznahme der Republikanischen Partei. Bierling nennt es einen „Geniestreich“ (46). Selbst republikanische Stars wie Mitchell McConnell (im Senat) oder Tim Ryan (im House of Representatives), denen die Fallstricke des Washingtoner Politikbetriebs als eingefleischte Strippenzieher nicht fremd waren, reihten sich klaglos – oft wider besseres Wissen – in die bedingungslos ergebenen Weggefährten des Präsidenten ein; erst am Ende von Trumps Präsidentschaft 2020 setzte sich McConnell von ihm ab. Den Weg vorbereitet hatte bereits die radikale erzkonservative Tea-Party-Bewegung. Ihr rechter Flügel „wurde zentral für Trumps Sieg bei den Vorwahlen“ (41). Der im Wahlkampf gegen Biden immer rabiater auftretende Trump war nun noch weniger als zuvor zu einer wenigstens in Ansätzen sichtbaren Regierungspolitik fähig. Reihenweise wurden Mitarbeiter gefeuert oder traten von sich aus zurück. Als sich die Wahlniederlage im Herbst 2020 abzuzeichnen begann, steigerte sich Trumps ‚Cäsarenwahn‘ in seine schon Monate lang antizipierte und kalkulierte fixe Idee vom Wahlbetrug. Als alle von ihm angerufenen Gerichte gegen ihn entschieden und schließlich auch der Supreme Court Trump leerlaufen ließ, war er weiterhin von seinem Wahlsieg überzeugt (oder gab zumindest vor, es zu sein); lediglich eine ihm schlecht gesinnte Justiz würde ihm sein Verbleiben im Amt verderben. Es folgte die Aufwiegelung seiner sich schon lange radikalisierten Anhängerschaft, mit dem für die Weltöffentlichkeit bestürzenden Ergebnis der Belagerung und gewaltsamen Erstürmung des Kapitols (Januar 2021).

Die permanenten Mobilisierungskampagnen Trumps und seiner Entourage im Weißen Haus, institutionell abgestützt durch die Mehrheit der Republikaner im Senat, zeigte sich insbesondere in der Innenpolitik, insbesondere in Fragen der Migration. Die Agitation Trumps gegen die illegale Einwanderung vor allem aus Mexiko und gegen Muslime allgemein waren Wasser auf die Mühlen seiner Anhänger. Bierling spricht vom Ausbruch eines „Fieberwahn[s] des Trumpismus“ (83). Er konkretisierte sich in dem bombastisch propagierten Projekt des Baus einer ‚Großen Mauer‘ zu Mexiko.

Als Unternehmer setzte Trump auf Deregulierung und hier ganz besonders auf die Zurückdrängung von Umweltschutzauflagen. Der Wirtschaftsboom, den Trump insbesondere für die ökonomisch stagnierenden oder rückläufigen Branchen (Kohle, Stahl) versprochen hatte, blieb dennoch weitgehend aus – gerade auch in Staaten, in denen er bei seiner Wahl zu Mehrheiten gelangt war (127). Ganz seiner Caesaristischen Persönlichkeit entsprechend, machte Trump den Präsidenten der Notenbank verantwortlich, nicht aber sich selbst.

Das Kapitel über „Kulturkriege“ betrifft die Zufriedenstellung der weißen christlich-evangelikalen Fundamentalisten, die sich lange in der Defensive wähnten. In Trump sah diese große Wählergruppe den Beschützer ihrer Werthaltungen, das heißt, „Amerikas christliches Erbe“ (130). Ihnen gegenüber löste Trump sein Versprechen ein, nur konservative Kandidaten für einen Sitz im Supreme Court zu nominieren, die letztinstanzlich in seinem Sinne entscheiden würden. Drei Konservative wurden zwar vom Senat bestätigt. Das Gericht folgte aber keineswegs dem Kulturkampf der Fundamentalisten, zu deren Denominationen sich immer weniger Religiöse bekannten, vor allem Jugendliche beziehungsweise besser Ausgebildete (139 f.). Was Trump aber am meisten Verdruss bereitete, war, dass es der Oberste Gerichtshof mit seiner konservativen Mehrheit ablehnte, Trumps Anliegen des Wahlbetrugs überhaupt anzunehmen.

Die Außen- und Handelspolitik der Trump-Administration war nichts anderes als eine Fortsetzung der Innenpolitik, nur mit anderen Mitteln. War es nach innen hin die Missachtung der verfassungsmäßigen Institutionen, so waren es in den Außenbeziehungen die Verächtlichmachung der internationalen Organisationen, der NATO-Verbündeten und der Europäischen Union sowie seine Gleichgültigkeit gegenüber allen multilateralen Verpflichtungen der Vereinigten Staaten. Sein byzantinisches Verhalten demonstrierte Trump bei Zusammenkünften mit anderen Regierungschefs durch ein aufreizendes Desinteresse. Trump machte überhaupt keinen Hehl aus seiner abgrundtiefen Aversion gegenüber den verbündeten Staaten. Als Antidot kürte Trump die „America First“-Strategie zur Richtschnur seiner Politik. Bierling stellt dazu fest: „Wenn es eine Trump-Doktrin gibt, so besteht sie darin, ihn als starken, entschlossenen und unkonventionellen Führer erscheinen zu lassen.“ (143) Bierling nennt eine Fülle von Beispielen, die nachweislich auch in der Außenpolitik den Byzantinismus des Präsidenten vor Augen führen. So installierte dieser beispielweise in der Ukraine-Affäre mit seinen Getreuen eine Art Nebenaußenpolitik, die an der klassischen Diplomatie des State Departments vorbeiging. Trump glaubte tatsächlich, die ukrainische Regierung dahingehend zu erpressen, „Schmutz“ (177) gegen Joe Biden zu liefern. Im Umgang mit Nordkorea machte Trump in der Mitte seiner Präsidentschaft eine Kehrtwende um 180 Grad, nachdem er zuvor Kim Jong-un mit dem Schimpfwort „Raketenmann“ (205) bedacht hatte. Ein Zusammentreffen beider Staatschefs sollte nach Trumps Ansicht der Welt diesen als einen selbstbewussten und durchsetzungsstarken Staatsmann zeigen, dem es schon gelingen werde, dass Nordkorea auf seine Kernwaffen verzichten werde (208 f.). Dieses außenpolitische Manöver scheiterte, da sich Trump und seine Leute auf keine Kompromisse einließen und der Präsident sogar vor Ende des Gipfeltreffens abfuhr und durch diese Stillosigkeit Kim Jong-un brüskierte. Seine Anhänger zu Hause allerdings konnte Trump damit beeindrucken.

Dieser ausgeprägte Hang, auch die Außenpolitik seinem Byzantinismus unterzuordnen, erwies sich aber als kontraproduktiv. So konstatiert Bierling, dass Trumps Verhalten auf der internationalen Bühne dermaßen überheblich war, dass es Trump schlicht nicht gelingen konnte, für sein Land substanzielle Ergebnisse zu erzielen (212 f.). Dies offenbarte sich insbesondere im Handelskonflikt mit China, in dem es vorrangig um die Verhängung von Strafzöllen gegen den globalen Konkurrenten ging. Konnte er sich zwar seinen Anhängern als hartnäckiger Verhandlungsführer präsentieren, so erwies sich seine Handelspolitik im Ergebnis als Bürde für die amerikanischen Unternehmen und Verbraucher. Denn letztlich zahlten die Unternehmen die Kosten für die Importe und wälzten diese auf die Konsumenten ab. Bierling gibt ein anschauliches Beispiel: Auf ausländische Waschmaschinen erhob die Administration einen Zoll von 50 Prozent. Gleichzeitig erhöhten die Unternehmen die Preise für Trockner. Die Kunden wurden doppelt zur Kasse gebeten, weil die Amerikaner erfahrungsgemäß beide Geräte zusammen kaufen (106).

Es ist, vor allem in Europa, immer wieder herausgestrichen worden, dass es Trump in seiner Präsidentschaft nicht vermocht habe, die amerikanische Demokratie aus den Angeln zu heben, gar zu zerstören. Ich glaube nicht, dass das ‚Funktionieren von Demokratie‘ von Trump je infrage gestellt zu werden brauchte, denn es ging ihm nicht um die Institutionen an sich, sondern nur um sich selbst. Solange diese ihm nicht in die Quere kamen, hatten sie für ihn keine Bedeutung. Und hier tut sich ein entscheidender Unterschied zum Bonapartismus auf: Eines seiner wesentlichen Merkmale ist die Verselbstständigung der exekutiven Gewalt, die sich über Klassen, Parteien und intermediäre Interessengruppen erhebt. Das lässt sich von Trump nicht behaupten. Sein Ziel war vielmehr die Selbstinszenierung vor applaudierendem Publikum.

Daher sollte auch der Sieg Bidens nicht allzu große Hoffnungen wecken. Mögen die Institutionen in den USA auch stabil sein und mag auch mit der Wahl Joe Bidens „ein Mindestmaß an Rationalität, Kompetenz, Anstand und Würde“ (242) zurückgekehrt sein: bBidens Sieg war nicht überwältigend und es hätte auch anders kommen können: Damit die Amerikaner von den künftigen Trumps verschont bleiben, sollten sie sich gesellschaftlich modernisieren – weniger ökonomisch oder wissenschaftlich-technologisch, sondern in politisch-kultureller Hinsicht. Ich fürchte aber, dass dies einem Kampf gegen Windmühlen arg ähnelt.

 

CC-BY-NC-SA
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Externe Veröffentlichungen

Aus Politik und Zeitgeschichte / 26.04.2021

Bundeszentrale für politische Bildung

 

Thomas Greven / 07.06.2021

IPG-Journal