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Digirama / 13.02.2018

Das demokratische Miteinander stärken

Politische Beteiligung und ehrenamtliches Engagement unterliegen einem stetigen Wandel und gelten als unverzichtbare Ressource für sozialen Zusammenhalt und Demokratie. Damit sich alle Bevölkerungsgruppen im Sinne eines demokratischen Miteinanders engagieren können, bedarf es der politischen Förderung. In dieser Zusammenschau finden sich ausgewählte, online frei verfügbare Forschungsberichte, Aufsätze und Positionspapiere, in denen Hindernisse und Erfolgsfaktoren für die Stärkung von politischer Partizipation und zivilgesellschaftlichem Engagement untersucht und diskutiert werden.

crowd2blau 640Grafik: Pixabay

 

Erschienen am 13. Februar 2018, zuletzt aktualisiert am Mai 2019.

Die Zivilgesellschaft befindet sich in einem stetigen Wandel, ist durch die jeweils gegebenen politischen und sozioökomischen Entwicklungen und Trends in unterschiedlicher Weise herausgefordert und erweist sich insgesamt als vielfältig und ambivalent. Zudem ist sie keine von Markt und Staat abgeschlossene Sphäre, sondern mit diesen mehr oder weniger eng verbunden, wie dies auch in einzelnen Beiträgen dieses Themenschwerpunktes herausgestellt wird. Galt zivilgesellschaftliches Engagement bisher in der Regel als per se demokratieförderlich, so haben in jüngster Vergangenheit in Deutschland Bewegungen wie Pegida verstärkt auch antidemokratische Tendenzen offenbart, die die engagementpolitische Praxis und Forschung vor neue Aufgaben stellen. Dabei geht es auch um die Frage nach der Qualität und dem demokratischen Gehalt bürgerschaftlichen Engagements. Unbestritten gilt es, bürgerschaftliches Engagement als wichtige Ressource für den sozialen Zusammenhalt anzuerkennen, als politische Querschnittsaufgabe zu verankern und förderliche Rahmenbedingungen zu schaffen.

In dieser Zusammenschau finden sich ausgewählte, online frei verfügbare Forschungsberichte, Aufsätze und Positionspapiere, in denen Hindernisse, Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren für die Förderung von politischer Partizipation und zivilgesellschaftlichem Engagement im Sinne eines demokratischen Miteinanders untersucht und diskutiert werden. Die Auswahl bezieht sich sowohl auf Formen der politischen Beteiligung sowie der Bewegungs- und Protestforschung als auch auf das breite Feld des bürgerschaftlichen Engagements in den drei Dimensionen Mitreden, Mitmachen und Mitentscheiden. Sie dient als Einstiegshilfe in das breite Forschungsthema und beansprucht keine Vollständigkeit. Das Digirama wird regelmäßig ergänzt und aktualisiert, Hinweise auf Materialien sind daher stets willkommen.

Die Dokumente sind in absteigend chronologischer Reihenfolge sortiert.

 

Jascha Rohr et al.
Bundesrepublik 3.0 Ein Beitrag zur Weiterentwicklung und Stärkung der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie durch mehr Partizipation auf Bundesebene. Abschlussbericht
Umweltbundesamt, April 2019

Im Auftrag des Umweltbundesamtes hat das Institut für Partizipatives Gestalten (IPG) in Zusammenarbeit mit dem Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) ein Modell für eine praxistaugliche Partizipation auf Bundesebene entwickelt. Dieses als Bundesbeteiligungswerkstatt bezeichnete Konzept wurde „in einem generativen Gestaltungsprozess entworfen, in den sowohl praktische Partizipations- und Prozesskompetenz sowie politikwissenschaftliche und verfassungsrechtliche Expertise eingeflossen sind.“ (Kurzbeschreibung) Es handelt sich um ein dauerhaft angelegtes und institutionalisiertes Beteiligungselement mit dem Ziel, gesellschaftliche Diskurse anzuregen und politische Empfehlungen zu erarbeiten, die auf verschiedene Weise in den Prozess der Gesetzgebungsprozess einfließen sollen.



Markus Köck
Partizipationsformen in Wien. Ein Blick auf das Wiener Petitionswesen und die Lokale Agenda 21
Demokratiezentrum Wien, 2018

„In Wien existieren auf Landes- und Gemeindeebene Instrumente direkter Demokratie wie Volksabstimmungen und Volksbefragungen, die allerdings einige Hürden für die Initiative ‚von unten‘ stellen. Die Studie stellt daher jüngere Möglichkeiten der aktiven Teilnahme von BürgerInnen vor, die über diese formalen, konventionellen Beteiligungsmöglichkeiten hinausgehen. Als unmittelbarere Formen der Partizipation wurden das 2013 geschaffene Wiener Petitionswesen sowie die seit 1998 aktive Lokale Agenda 21 Wien untersucht. Neben der Schilderung struktureller Voraussetzungen zeigen Fallbeispiele die konkrete Umsetzung dieser Beteiligungsinstrumente.“ (Website Demokratiezentrum, Themenseite Wien)



Patrick Gilroy et al.
Vereinssterben in ländlichen Regionen – Digitalisierung als Chance
digital engagiert / ZiviZ im Stifterverband, 5. September 2018

„Die Nutzung digitaler Technologien hat erhebliches Potential, dem Vereinssterben in ländlichen Regionen entgegenzuwirken. Doch Vereine vor Ort sind oft damit überfordert, die neuen Ansätze systematisch zu nutzen. Diese
Studie diskutiert neue Zahlen zum Vereinssterben in ländlichen Räumen und benennt Ursachen dafür. Anhand von Fallstudien werden die Chancen der Digitalisierung für Vereine aufgezeigt.“ (4) Auftraggeber der im September 2018 veröffentlichten Studie war die Förderinitiative „digital.engagiert“ von Amazon und Stifterverband, die Vereine und gemeinnützige Organisationen bei ihren Projektideen zur Digitalisierung der Zivilgesellschaft unterstützt.



David Adler
Ausfall der Mitte
IPG Newsletter (Internationale Politik und Gesellschaft, Friedrich-Ebert-Stiftung), 2. Juli 2018

„Die generelle Annahme ist, dass radikale Sichtweisen mit der Förderung autoritärer Einstellungen einhergehen, während politisch Gemäßigte eher für den demokratischen Prozess eintreten. Aber stimmt das wirklich?“ Unter dieser Fragestellung hat der Politikwissenschaftler David Adler Umfragedaten aus den USA und Europa analysiert und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sich diejenigen, die sich selbst der politischen Mitte zuordnen, am wenigsten für die Demokratie und ihre Institutionen aussprechen.



NeulandQuartier GmbH (Hrsg.)
Bürgerbeteiligung aus kommunaler Sicht. Stellenwert und Verbreitung informeller Bürgerbeteiligung in deutschen Kommunen
Leipzig/Berlin, Mai 2018

Welchen Stellenwert räumen Kommunalverwaltungen der informellen Bürgerbeteiligung ein? Dieser Frage sind die beiden Beratungsgesellschaften NeulandQuartier und pollytix mit einer zweistufigen empirischen Erhebung nachgegangen. Die Ergebnisse zeichnen ein differenziertes Stimmungsbild zwischen Überzeugung, Skepsis und Widerstand.



Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.)
Verwaltung trifft Beteiligung. Zwischen Amt und Bürgerinnen und Bürgern: Krisen und Chancen
Berlin, April 2018

Dokumentation einer Fachtagung, die die Heinrich-Böll-Stiftung im März 2018 in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) und dem Bildungswerk Alternative Kommunalpolitik(BiwAK e.V.) veranstaltet hat. „Konflikte, aber auch Lösungswege und gute Praxis wurden in dieser Fachtagung benannt und diskutiert, nicht zuletzt auch im Hinblick auf Aus- und Weiterbildung. Unser Ziel war es, Erfahrungen auszutauschen und für einen Perspektivwechsel zu werben: Statt eines ‚clash‘ der Kulturen ist innovative Kooperation gefragt.“ (Aus dem Editorial) Der Reader informiert über verschiedene Formen der Beteiligungspraxis, etwa gelingende Ansprache von Anwoher*innen bei heiklen Themen, E-Partizipation, Bürgerhaushalte oder Beteiligung per Zufallsauswahl. Darüber hinaus wird über Erfahrungen aus einer Untersuchung über die Motivation und Veränderungsbereitschaft von Nachwuchskräften des mittleren und gehobenen Dienstes berichtet.



Adalbert Evers / Claus Leggewie
Falsch verbunden. Zur (Wieder-)Annäherung von institutionalisierter Politik und organisierter Zivilgesellschaft
Forschungsjournal Soziale Bewegungen 1-2/2018: 32-40

Die Autoren diagnostizieren eine politische Landschaft, in der „Parteipolitik in vieler Hinsicht zivilgesellschaftliche Organisationen als Partner für wirksame Politik nicht wahrnimmt und umgekehrt auch die Organisationen ein instrumentelles Verhältnis zur Parteipolitik pflegen“ (37). Sie gehen der Frage nach, wie sich diese beiden Sphären zum gegenseitigen Nutzen verknüpfen lassen, denn dies sei ein Schlüsselfaktor für die Weiterentwicklung und Stärkung der Demokratie. „Das meint allerdings mehr als Verwaltungen mit Partizipationsverfahren und Ministerien mit Modellprogrammen zur Engagementförderung“ (38), so Evers und Leggewie. Nötig sei eine Debatte mit dem Ziel einer Verständigung über gemeinsame Grundsätze, einer gegenseitigen Wertschätzung und neuen gesellschaftlichen Umgangsformen. Die Frage, wie belastbare Beziehungen zwischen organisierter Zivilgesellschaft und Parteipolitik gestaltet sein könnten, lasse sich am besten an konkreten Themen und Aufgaben ausmachen. Daher sehen die Autoren in der Idee der Zukunftsräte einen geeigneten Mittler. Diese könnten neben anderen Initiativen eine Plattform für neuartige Verbindungen zwischen Parteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen darstellen.



Ina Richter / Manuel Rivera
Was kann „Beteiligungskultur“ sinnvoll bedeuten? Praxistheoretisch inspirierte Vorschläge für ein Analysekonzept
Forschungsjournal Soziale Bewegungen FJSP+plus 1-2/2018

Wie lässt sich der Begriff der Beteiligungskultur, der im Kontext von Partizipation der Öffentlichkeit an politischen Entscheidungen, ihren Formen, Verfahren, Spielregeln und letztlich ihren Erfolgsfaktoren zur Sprache kommt, konzeptionell bestimmen? Unter der Annahme, dass „Beteiligungskultur zwischen Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung kein zu erreichender Zustand, sondern ein Medium des Wandels von Praktiken ist“, entwickeln Ina Richter und Manuel Rivera einen Analyserahmen auf der Grundlage praxistheoretischer Elemente. Mit ihrem Fokus auf die Mechanismen der Entscheidungsfindung geht es ihnen darum, dem in der akademischen und gesellschaftlichen Debatte „vorherrschenden Ruf nach einem bloßen ‚Mehr‘ an Partizipation ein Verständnis von Beteiligungskultur gegenüberzustellen, das die Qualität partizipativer Abläufe und das fortlaufende praktische Neubewerten von Beteiligung betont“ (12).



Mareike Gebhardt
Zwischen Repräsentation und (Real-) Präsenz. Populistische Intervalle und demokratische Temporalstrukturen aus politiktheoretischer Perspektive
diskurs, 14. Mai 2018 (Ausgabe 3: Die Zeit des Politischen und die Politik der Zeit)

Mareike Gebhardt fragt nach der demokratischen Qualität von Repräsentation und Realpräsenz und analysiert das Verhältnis von Populismus und Demokratie. „Populismus wird dann politisch virulent, wenn demokratische Verfahren der Repräsentation dysfunktional werden oder sogar erodieren“, schreibt Gebhardt, und versteht Populismus „als ein soziokulturelles und politisches Phänomen […], das der liberalen Demokratie eingeschrieben ist.“ (23) In kritischer Auseinandersetzung mit den Positionen von Chantal Mouffe, Jacques Rancière und Isabell Lorey untersucht sie verschiedene Formen des Protests und erkundet die populistische Logik. Die Verwendung des Populismus-Begriffs für linke Protestformen erweist sich für Gebhardt als fragwürdig. Mit ihrem Beitrag schließt sie an die „Diskussion über die Un/Möglichkeit einer radikaldemokratischen Populismustheorie“ (39) an.



Wolfgang Seibel
Bürgerbeteiligung setzt gute Verwaltung voraus
Heinrich-Böll-Stiftung, 7. März 2018

„Die öffentliche Verwaltung hat die Verpflichtung, die Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen. Die entsprechenden Vorgaben zur Information, Transparenz und Mitsprache werden allerdings häufig unterlaufen. Für eine gute Verwaltung muss die Politik das Verwaltungsrecht reformieren.“ (Abstract)



Charlotte Krause
Was bewirken Kundgebungen und Demonstrationen?
Exzellenzcluster Kulturelle Grundlagen von Integration (Foyer Forschung), Januar 2018

Es handelt sich um einen Bericht über ein Expertengespräch aus der Veranstaltungsreihe „Foyer Forschung“ des Exzellenzclusters „Kulturelle Grundlagen von Integration“ der Universität Konstanz. Die vorgestellte Veranstaltung vom 18. Januar 2018 stand unter dem Motto „Autorität und Widerstand – Von Bürgerprotesten und ihrer (Ohn-)Macht“, die Referenten waren Simon Teune vom Institut für Protest- und Bewegungsforschung sowie Florian Peters vom Institut für Zeithistorische Forschung. Neben der Entwicklung von Protesten in Polen ging es unter anderem um Fragen nach den Wirkungen von Bürgerprotesten. Hierfür sei, so wurde hervorgehoben, das Wechselspiel von Bewegungen, Gegenbewegungen, Staatseingriffen und Medien von großer Bedeutung, sie müssten entsprechend einzeln untersucht und bewertet werden. Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und kann unter dem obigen Link nachgehört werden.



Jan Werner Müller
Politische Bewegungen erneuern Europa nicht. Sie versprechen zwar Teilhabe, lösen sie aber nicht ein
IPG-Journal (Internationale Politik und Gesellschaft, Friedrich-Ebert-Stiftung), 12. Januar 2108

Die innovativsten politischen Experimente der vergangenen Jahre in Europa entwickelten sich aus Straßenprotesten und Massenveranstaltungen, bei denen man auf hierarchische Organisationsformen verzichtete, schreibt Jan Werner Müller. Dennoch könnten sie sich als weniger demokratisch erweisen als traditionelle Parteien. „Das Problem ist, dass scheinbar keine Notwendigkeit für umfassende demokratische Debatten besteht, wenn sich vermeintlich alle darüber einig sind, wohin der Weg sie führt. Deshalb konzentrierten sich die Bewegungen, die in den letzten Jahren in Europa – sowohl links als auch rechts – entstanden, trotz aller Betonung der partizipativen Demokratie auf die Stärkung ihrer jeweiligen Spitzenvertreter, statt auf die Ermächtigung der Basis“.



Speth, Rudolf:
Engagiert in neuer Umgebung: Empowerment von geflüchteten Menschen zum Engagement
Maecenata Institut für Philanthropie und Zivilgesellschaft, Opuscula 108, Berlin, Januar 2018

In dieser Studie stehen Ausmaß, Formen und Voraussetzungen des freiwilligen Engagements von Geflüchteten im Mittelpunkt. Damit wird eine in der Forschung bisher vernachlässigte Perspektive auf geflüchtete Menschen als Subjekte des Integrationsprozesses eingenommen. Rudolf Speth fragt unter anderem, welche Voraussetzungen für Engagement Geflüchtete mitbringen, inwieweit sie eigene Formen des Engagements entwickeln, wie ihr Engagement besser sichtbar gemacht und ggf. in bestehende Hilfsstrukturen eingebunden werden kann. Er zeigt auf, wie das Engagement von Geflüchteten verbessert werden kann, weil, so die zentrale Annahme, „dies für sie ein Weg ist, in der Gesellschaft Fuß zu fassen und auch ihr Selbstbewusstsein zu stärken“.



Ute Scheub
Demokratie. Die unvollendete
München, oekom Verlag 2017

Ute Scheub sieht den vielfach festgestellten gestiegenen Vertrauensverlust in die Demokratie vor allem in dem Umstand fehlender Resonanz staatsbürgerlicher Interessen begründet. In ihrem Buch beschreibt sie die Demokratie als Klangbild und stellt ein breites Repertoire an Lösungen und Möglichkeiten vor, um sie von Misstönen zu befreien, sie wieder lebendig zu machen und die Bürger*innen für diese Idee zurückzugewinnen. Das von Mehr Demokratie e. V. herausgegebene Buch kann unter dem oben genannten Link als kostenloses PDF-Exemplar heruntergeladen werden.



Frank Gesemann / Roland Roth
Erfolgsfaktoren der kommunalen Integration von Geflüchteten
Friedrich Ebert Stiftung 2017 (Forum Berlin)

Mit dieser Studie werden die Ergebnisse einer zweifachen Online-Befragung von mehr als 100 Kommunen Anfang und Ende 2016 vorgestellt. Gefragt wurde, wie aus Sicht der Kommunalverwaltungen die außergewöhnlich hohe Zuwanderung von Geflüchteten bewältigt wurde. Insgesamt, so das Ergebnis, haben die Kommunen die Herausforderungen gut gemeistert, als Erfolgsfaktoren „nennen sie die Leistungsfähigkeit der Kommunalverwaltung, die positive Grundstimmung/Offenheit in der Bevölkerung, das hohe freiwillige Engagement für Flüchtlinge sowie eine gute Vernetzung der relevanten Akteure in den Kommunen.“ Unabhängig davon müssten sich die Kommunen in Zeiten verstärkter Fluchtbewegungen auf ein besonders hohes Maß an Unsicherheiten einstellen und sollten, so die Autoren, verstärkt auf eine engagierte Zivilgesellschaft setzen und diese, ebenso wie die Geflüchteten selbst, am Integrationsprozess beteiligen.



Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE)
Thema: Bundestagswahl 2017. Engagement- und demokratiepolitische Aktivitäten, Empfehlungen und Positionen
BBE-Dossier 3, Oktober 2017

Das BBE hat in diesem Dossier die engagement- und demokratiepolitischen Positionierungen und Aktivitäten zur Bundestagswahl 2017 aus ganz unterschiedlichen Teilen der Zivilgesellschaft zusammengetragen. „Dadurch wird zum einen erkennbar, an welchen Stellen tatsächlich weitgehend Konsens herrscht und auch, welche Relevanz engagement[-…] und demokratiepolitische Themen in der organisierten Zivilgesellschaft haben. Ebenso werden zum anderen Unterschiede und Divergenzen sichtbar.“ (3) Im Schlussteil sind die engagementpolitischen Empfehlungen des BBE nachzulesen. Neben einer verlässlichen Infrastruktur und engagementfreundlichen politischen Rahmenbedingungen wird unter anderem vorgeschlagen, bürgerschaftliches Engagement als Teil des Integrationsprozesses für Migrant*innen auszubauen. Gefordert wird zudem die politische Aufwertung des Themas, indem zum Beispiel eine Demokratie-Enquete-Kommission eingesetzt und der Unterausschuss „Bürgerschaftliches Engagement“ in einen Hauptausschuss des Deutschen Bundestages umgewandelt wird.



Willi Brase / Stefanie Elies / Serge Embacher / Ansgar Klein / Susanne Lang / Roland Roth / Anett Seltz
Gutes Engagement – für eine demokratische Zivilgesellschaft
Impuls der Steuerungsgruppe des Arbeitskreises „Bürgergesellschaft und Demokratie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung, Juni 2017

Nicht jede freiwillige Tätigkeit stärke die Zivilgesellschaft, den sozialen Zusammenhalt und die Demokratie, auch entspreche sie nicht unbedingt den Leitideen des bürgerschaftlichen Engagements, lautet die Ausgangsthese dieses Papiers. Daher sei es angezeigt, „sich erneut über die wesentlichen gesellschaftspolitischen Dimensionen von Engagement und Engagementpolitik zu verständigen“. Die Autor*innen benennen zehn Punkte, die sie als Denk- und Debattenangebot verstanden wissen wollen. Unter dem ersten Punkt heißt es beispielsweise: „Gutes Engagement weist sich durch seinen Beitrag zur Zivilisierung gesellschaftlicher Konfliktverhältnisse aus“.



Lea Elsässer / Svenja Hense / Armin Schäfer
„Dem Deutschen Volke“? Die ungleiche Responsivität des Bundestags
Zeitschrift für Politikwissenschaft (ZPol), Juli 2017: 161-180

Wie spiegeln sich die politischen Referenzen bestimmter sozialer Gruppen in den politischen Entscheidungen wider? Die Autor*innen stellen die Ergebnisse ihrer empirischen Erhebung zu dieser Frage vor. Sie konnten eine ähnliche soziale Selektivität zulasten ärmerer Bevölkerungsgruppen feststellen wie in den USA.



Christian Schnaudt / Michael Weinhardt / Stefan Liebig
Die politische Partizipation Jugendlicher und junger Erwachsener in Deutschland. Weniger teilnahmslos und politikverdrossen als gedacht
GWP Gesellschaft. Wirtschaft. Politik 2/2017: 189-200.

„Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland werden häufig als Hauptantriebskraft sinkenden politischen Engagements und zunehmender politischer Entfremdung identifiziert. Allzu oft wird jedoch außer Acht gelassen, dass die Niveaus und Trends der politischen Partizipation junger Menschen erst durch ihren Bezug zu gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen sowie einen Vergleich mit anderen Altersgruppen innerhalb der Bevölkerung Aussagekraft und Bedeutung erhalten.Dieser Beitrag untersucht die Partizipationsniveaus und -trends junger Menschen im Zeitraum von 2002-2014 und zeigt, dass eine Charakterisierung Jugendlicher und junger Erwachsener als (zunehmend) teilnahmslos und politikverdrossen im gesamtgesellschaftlichen Kontext nur wenig zutreffend erscheint.“ (Zusammenfassung)



Rudolf Speth / Elke Becker
Zivilgesellschaftliche Akteure und die Betreuung geflüchteter Menschen in deutschen Kommunen
Maecenata Institut für Philanthropie und Zivilgesellschaft, Opusculum Nr. 92, April 2016

Als im Laufe des Jahres 2015 über eine Million geflüchtete Menschen nach Deutschland kamen, war niemand auf die damit verbundenen Aufgaben und Herausforderungen vorbereitet. „Dies war die Stunde des bürgerschaftlichen Engagements“, schreiben Rudolph Speth und Elke Becker. Sie untersuchen an drei Fallbeispielen, wie sich durch die zahlreichen neu gegründeten Helfergruppen die Akteurslandschaft verändert hat und wie die Zusammenarbeit zwischen Kommunen, etablierten zivilgesellschaftlichen Organisationen, spontanen Helfergruppen und den Geflüchteten erfolgreich gestaltet werden kann.



Julia Simonson / Claudia Vogel /Clemens Tesch-Römer
Freiwilliges Engagement in Deutschland. Der Deutsche Freiwilligensurvey 2014
Wiesbaden, VS Verlag für Sozialwissenschaften 2017

„43,6 Prozent der Wohnbevölkerung im Alter von 14 und mehr Jahren in Deutschland sind freiwillig engagiert; das entspricht in etwa 30,9 Millionen engagierten Menschen. Im vorliegenden Bericht werden die Befunde des Deutschen Freiwilligensurveys 2014 vorgestellt, aus dem diese Zahl stammt. Der Freiwilligensurvey ist eine repräsentative telefonische Befragung zum freiwilligen Engagement in Deutschland, die sich an Personen ab 14 Jahren richtet. Inzwischen kann die Entwicklung des freiwilligen Engagements über die letzten fünfzehn Jahre nachgezeichnet werden, da in den Jahren 1999, 2004 und 2009 die ersten drei Wellen des Freiwilligensurveys erhoben wurden. Im Bericht wird dargestellt, welche Bevölkerungsgruppen sich zu welchen Anteilen engagieren, wie sich das Engagement über die letzten fünfzehn Jahre entwickelt hat und wie das Engagement ausgestaltet ist“. (aus der Einleitung)



Richard Wike / Katie Simmons / Bruce Stokes / Janell Fetterolf
Globally, Broad Support for Representative and Direct Democracy. But many also endorse nondemocratic alternatives
Pew Research Center, Oktober 2017

In den vergangenen Jahren habe sich die Sorge über die Zukunft der Demokratie ausgebreitet, heißt es einleitend. Daher wurde in 38 Ländern gefragt, welche Wertschätzung die repräsentative Demokratie genießt – auch in Abhängigkeit vom Bildungsstand und der politischen Einstellung der Befragten. Es zeigt sich unter anderem, dass Menschen in Ländern, denen es wirtschaftlich relativ gut geht, mit der repräsentativen Demokratie zufriedener sind als Menschen in ärmeren Ländern.



Raban Daniel Fuhrmann / Moritz Johannes Brunn
Lernende Beteiligungskommunen: Wie gelingt die Realisierung von Leitlinien zu Bürgerbeteiligung?
Netzwerk Bürgerbeteiligung, Newsletter 02/2016, 15. Juli 2016

Zunehmend erarbeiten Städte und Gemeinden Leitlinien für eine gelingende Bürgerbeteiligung. Die Autoren geben einen Überblick über die vom Netzwerk Bürgerbeteiligung erfassten „Leitlinien“ der Kommunen und ordnen diese in den größeren Kontext einer lernenden Demokratie ein. Sie stellen konkrete Schlüsselfaktoren für eine gelingende Beteiligung vor, warnen aber auch vor einer „wahren Verfahrensfülle“, die zum Problem werden kann. Im Prozess der Verstetigung und Institutionalisierung von Beteiligung gehe es letztlich um die Frage, wer sich wie um das Arrangieren einer „Co-Produktion von Gemeinwohl“ kümmern soll.



Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Zweiter Bericht über die Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements in der Bundesrepublik Deutschland
Berlin 2016

Während der erste Engagementbericht aus der 17. Legislaturperiode dem Thema Engagement von Unternehmen gewidmet war, lautet das Schwerpunktthema in diesem zweiten Bericht „Demografischer Wandel und bürgerschaftliches Engagement: Der Beitrag des Engagements zur lokalen Entwicklung“. Die von einem interdisziplinären Expertengremium erarbeitete Studie versteht sich als engagementpolitischer Beitrag zur Demografiestrategie der Bundesregierung. Sie zeigt auf, welche Impulse und Leistungen bürgerschaftliches Engagement zur Bewältigung des demografischen Wandels bietet und wie dieses unterstützt werden kann.

Siehe hierzu auch den Beitrag von Thomas Klie, Vorsitzender der Sachverständigenkommission für diesen Bericht:

Thomas Klie
Die Engagementberichterstattung der Bundesregierung – Summa und „lesson learnt“ für die Engagementpolitik in der neuen Legislaturperiode
Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement BBE, Newsletter für Engagement und Partizipation 18/2017



Lea Elsässer and Armin Schäfer
Group Representation for the Working Class? Opinion Differences among Occupational Groups in Germany
Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, März 2016 (MPIfG Discussion Paper 16/3)

„In diesem Discussion Paper greifen wir die aktuelle Debatte über die politische Unterrepräsentation der Arbeiterklasse auf. Im Literaturteil stellen wir Kernargumente der Theorien deskriptiver Repräsentation dar und verknüpfen diese mit aktuellen Studien aus der empirischen Responsivitätsforschung. [...] Da Arbeiter sich von den Gruppen unterscheiden, die zahlenmäßig stark im Parlament vertreten sind, könnte dies vermehrt zu Politikentscheidungen entgegen ihren Interessen führen.“ (III)



Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Engagementstrategie BMFSFJ. Strategische Ausrichtung der Engagementpolitik
Berlin 2016

„Die Bedeutung der Zivilgesellschaft rückt die Notwendigkeit ins Blickfeld, Engagementpolitik als Schwerpunktaufgabe im Feld der Gesellschaftspolitik zu verstehen“, heißt es in der Einleitung dieses Strategiepapiers, das unter dem Eindruck der verstärkten Zuwanderung entstanden ist. Darin werden das Engagementverständnis des BMFSFJ erläutert, aktuelle Herausforderungen skizziert und die handlungsleitenden Prinzipien, wie eine dialogorientierte und trisektorale Zusammenarbeit, vorgestellt.



Rudolf Speth
Gut vertreten? Überlegungen zu einem Update für die repräsentative Demokratie
Heinrich Böll Stiftung, Policy Paper 15, November 2015

„In seinem Beitrag plädiert Rudolf Speth für eine bessere Zusammenarbeit zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und repräsentativen Institutionen, sucht eine Neujustierung im Verhältnis von Deliberation und Entscheidung und betont insbesondere die Notwendigkeit, sich für Beteiligung und Transparenz zu öffnen.“ (aus dem Abstract)



Hanno Burmester / Philipp Sälhoff / Marie Wachinger
Die Partei 2025. Impulse für zukunftsfähige politische Parteien
Das Progressive Zentrum e. V., September 2015

Mit diesem Ideenpapier werden Vorschläge für Parteireformen präsentiert. Im Mittelpunkt steht die organisatorische Ausgestaltung der Parteien. Dabei wird davon ausgegangen, „dass sich die Organisationskrise der Parteien zu einer Systemkrise auswachsen kann, wenn innerhalb der Parteiorganisationen keine substanzielle Veränderungsarbeit geschieht. Attraktive programmatische Angebote ersetzen zeitgemäße Strukturen nicht, ebenso wenig wie zeitgemäße Strukturen inhaltliche Leerstellen überdecken können“ (6). Die Studie ist aus dem Projekt „Legitimation und Selbstwirksamkeit: Zukunftsimpulse für die Parteiendemokratie“ hervorgegangen, das gemeinsam von der Heinrich-Böll-Stiftung, der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Progressiven Zentrum durchgeführt wurde.



Rudolf Speth
Politische Beteiligung: Lage und Trends
Otto-Brenner-Stiftung, OBS Arbeitspapier 16. Juli 2015

Parteien, Gewerkschaften, Verbände und andere mitgliederbasierten Organisationen erlitten in den vergangenen Jahren einen teils massiven Mitgliederschwund. Vor diesem Hintergrund fragt der Autor nach den Beteiligungsprozessen in Organisationen. Er gibt mit diesem Arbeitspapier einen Überblick über die neuere Forschung über Veränderungen im Partizipationsverhalten und den Zusammenhang von politischer und sozialer Beteiligung.



Bertelsmann Stiftung
Vielfältige Demokratie. Kernergebnisse der Studie „Partizipation im Wandel – Unsere Demokratie zwischen Wählen, Mitmachen und Entscheiden“
Gütersloh 2014

Mit dieser Studie wurden die Präferenzen von Bürger*innen zu demokratischen Beteiligungsverfahren erhoben. Die Ergebnisse lassen den „Wunsch nach einem harmonisch organisierten und integrierten Mischsystem erkennen: einer vielfältigen Demokratie, in der repräsentative, direktdemokratische und deliberative Beteiligungs- und Entscheidungsverfahren, organisch miteinander verzahnt, neben- und miteinander existieren.“ Auf dem konstatierten Weg Deutschlands in eine vielfältige Demokratie hinke die politische Elite den Bürger*innen allerdings noch hinterher.

 

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