/ 18.06.2013
Martin Hartmann
Die Kreativität der Gewohnheit. Grundzüge einer pragmatistischen Demokratietheorie
Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2003 (Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie 3); 338 S.; kart., 34,90 €; ISBN 3-593-37243-6Unter welchen Bedingungen entwickeln Akteure ein spezifisch demokratisches Selbstverständnis, das zur zentralen Voraussetzung für politisches Handeln wird? Die Untersuchung lenkt den Blick auf die Kategorien Gewohnheit, Erfahrung und Vertrauen, die, so die These, nicht die bloßen Vorbedingungen für demokratisches Handeln darstellen, sondern seinen Kontext, seine breitere Basis entscheidend strukturieren. Ausgehend von der Philosophie des amerikanischen Pragmatismus, vor allem John Deweys, entwirft der Verfasser eine Demokratietheorie, die sich von Modellen deliberativer Demokratie abgrenzt und die anspruchsvollen Bedingungen demokratischen Handelns an zwei zentralen Schnittstellen stärker in den Blick nimmt: Im Mittelpunkt stehen zum einen die Sozialisationsprozesse und Vorbedingungen, die die Voraussetzung für den Eintritt in die Beratungssituation bilden und ihn maßgeblich bestimmen. Zum anderen werden die Bedingungen näher beleuchtet, die gegeben sein müssen, damit Akteure letztlich nach Ende der Beratung tatsächlich handeln. Die zentrale Rolle, die Emotionen für das Weltverhältnis des Menschen spielen, wird nach Einschätzung des Verfassers in gängigen, von Rationalismus geprägten Demokratietheorien vernachlässigt. Das Vertrauen des Subjekts in sich selbst und in die Aufrichtigkeit und Kooperationsbereitschaft der übrigen Diskursteilnehmer macht Handeln erst möglich. Die Gewohnheit als „Vermögen des aktiven Umwelthandelns" (312) ist die Quelle der Handlungsmächtigkeit des Subjekts. Die Betonung der Selbstverwirklichung des Subjekts und der Bedeutung von Faktoren wie Lernbereitschaft und Kreativität stellen eine Absage an Konzepte einer staatlich gelenkten Politik dar, die „eine spezifische Konzeption des Guten gleichsam von oben zu implementieren" (327) sucht.
Inhaltsübersicht: I. Handlungstheoretische Grundlagen: 1. Modelle der Partizipation und ihre Grenzen; 2. Zum Verhältnis von Philosophie und Demokratie bei Dewey; 3. Der frühe Neohegelianismus; 4. Die Dimension der Praxis; 5. Mittel und Zwecke; Zwischenbemerkung: Anthropologie und politische Theorie. II. Bedingungen demokratischer Kooperation: 6. Gewohnheit; 7. Erfahrung; 8. Von der Selbstverwirklichung zum Wachstum; 9. Politik der Zuversicht.
Tanja Pritzlaff (TP)
Dipl.-Politologin, wiss. Mitarbeiterin, Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen.
Rubrizierung: 5.41
Empfohlene Zitierweise: Tanja Pritzlaff, Rezension zu: Martin Hartmann: Die Kreativität der Gewohnheit. Frankfurt a. M./New York: 2003, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/19308-die-kreativitaet-der-gewohnheit_22431, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 22431
Rezension drucken
Dipl.-Politologin, wiss. Mitarbeiterin, Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen.
CC-BY-NC-SA