/ 03.06.2013
Burkhard Wehner
Die Logik der Politik und das Elend der Ökonomie. Grundelemente einer neuen Staats- und Gesellschaftstheorie
Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1995; 326 S.; 49,80 DM; ISBN 3-534-12799-4Aufbauend auf seine vorhergehenden Monographien (insbesondere 1992: Die Katastrophen der Demokratie, 1993: Der Staat auf Bewährung) resümiert, erweitert und präzisiert Wehner seine Vorschläge für ein neues Demokratiemodell. Die Erweiterungen beziehen sich auf verschiedene Politikbereiche - mit einem Schwerpunkt auf Wirtschafts- und Finanzpolitik - und auf die Ausführungen zur Wirtschaftswissenschaft. Ihr hält er vor, keine umsetzbaren Beiträge geleistet zu haben, um der bestehenden Krise des Sozialstaats und der Leistungsschwäche der Demokratie zu begegnen.
Im Vordergrund stehen die Entwürfe für eine institutionelle Umgestaltung des parlamentarischen Regierungssystems hin zu einem "Beauftragungsmodell". Der bislang vorherrschende "parteipolitische Parlamentarismus" (105) und die politische Willensbildung unter dem Einfluß von Interessengruppen bevorzugten strukturell die kurzfristigen Interessen; sie könnten nicht zu langfristigen Problemlösungen führen. Notwendig seien daher unabhängige Instanzen nach dem Vorbild von Bundesverfassungsgericht und Zentralbankrat, besetzt mit unabhängigen Experten statt mit "wendigen Generalisten" (112). So solle z. B. ein eigens beauftragter "Verfassungsrat" über den gesellschaftlichen Konsens wachen und darüber, daß die hierin festgelegten Ziele eingehalten würden. Zudem solle es für die grundlegenden, langfristigen Probleme - wie Umweltschutz, Bevölkerungswachstum, Währungsstabilität - spezifische Parlamente neben dem herkömmlichen Parlament geben. Sie und die von ihnen bestellten unabhängigen Räte sollten langfristige Problemlösungsstrategien erarbeiten und durchsetzen.
Grundsätzlich ist Wehners Intention zu begrüßen, wirtschafts-, sozial- und staatswissenschaftliches Denken miteinander zu vereinen. Seine konkreten Lösungsvorschläge als "Grundelemente einer neuen Staats- und Gesellschaftstheorie" (Untertitel) erscheinen allerdings teils unrealistisch, teils demokratietheoretisch bedenklich. So ist es in der Realität einer freiheitlichen Demokratie nicht denkbar, daß Institutionen mit einer starken Machtfülle von Parteien unabhängig sein bzw. ohne das Mitwirken gesellschaftlicher Gruppen überhaupt personell besetzt werden können. Zum anderen ist eine solche Unabhängigkeit wegen des ihr inhärenten Defizits an demokratischer Kontrolle bedenklich, denn diese Institutionen wären dem Einfluß des Volkes bzw. der gesellschaftlichen Gruppen entzogen.
Stefan Lembke (SL)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.21 | 2.22 | 2.3
Empfohlene Zitierweise: Stefan Lembke, Rezension zu: Burkhard Wehner: Die Logik der Politik und das Elend der Ökonomie. Darmstadt: 1995, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/716-die-logik-der-politik-und-das-elend-der-oekonomie_524, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 524
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M. A., Politikwissenschaftler.
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