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/ 17.03.2016
Philipp Richter (Hrsg.)

Privatheit, Öffentlichkeit und demokratische Willensbildung in Zeiten von Big Data

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Der Elektronische Rechtsverkehr 32); 188 S.; brosch., 49,- €; ISBN 978-3-8487-2315-7
Das Potenzial von Algorithmen, die gewaltige Datenmengen aus unterschiedlichen Quellen zusammenführen und auf Muster hin untersuchen, dürfte tatsächlich Wirtschaft, Gesellschaft und auch die Politik in eine neue Phase der Digitalisierung katapultieren. Big‑Data‑Kritiker konzentrieren sich bislang auf die dahinterstehende ökonomische Macht und den Schutz der Privatsphäre, lassen aber Fragen der demokratischen Willensbildung weitgehend außer Acht. Dieser Sammelband schließt insofern eine Lücke und sollte insbesondere Politikwissenschaftler_innen aufrütteln – sie sind in diesem Band mit keinem Beitrag vertreten. Er geht auf eine Tagung zurück, die 2014 am Wissenschaftlichen Zentrum für Informationstechnikgestaltung der Universität Kassel stattfand. In zwei grundlegenden Beiträgen geht es um die Möglichkeiten von Big Data, die grundlegenden IT‑Abläufe sowie Probleme bei dem Versuch, die Privatsphäre mittels Verschlüsselung zu wahren. Der Herausgeber konzentriert sich als Jurist in seinem Beitrag auf verfassungsrechtliche Fragen. Dabei stellt er aber auch heraus, dass sich durch die gegenwärtige Nutzung von Netztechnologien ein Wandel dessen vollzieht, was als privat und was als gemeinschaftsbezogene Angelegenheit gilt. Öffentliche Willensbildung als ein zentrales Moment der repräsentativen Demokratie könnte womöglich durch die allumfassende Auswertung von Alltagspraktiken, Interessen, Ansichten und Absichten ersetzt werden. Befürworter halten das errechnete Resultat für eine Art Volonté Générale. Big Data ist jedoch dazu da, zukünftiges Verhalten zu prognostizieren und mitnichten wertbasierte Entscheidungen durch technokratische, pseudo‑pragmatische Sachlogiken zu ersetzen. Diese Entpolitisierung geht einher mit einer Politisierung aller Lebensbereiche, weil dem Big‑Data‑Konzept zufolge nahezu jede Information relevant sein könnte. Ein weiteres Big‑Data‑Risiko für die Willensbildung ist inzwischen als „Filter Bubble“ bekannt. Die Personalisierung von Informationsströmen verringert tendenziell den geteilten Erfahrungshorizont. Unzureichend informierte Bürger sind die eine, leichtere Manipulation von Tatsachen die andere Konsequenz. Diese und weitere Herausforderungen bedürfen einer intensiven politischen Debatte und wohl auch entsprechender Gesetzgebung. Noch immer mangelt es an Konzepten, wie Big Data datenschutzkonform gestaltet werden könnte. Der Band liefert eine Fülle wichtiger Fakten und Argumente, um den Big‑Data‑Diskurs auf einem juristisch und sozialwissenschaftlich angemessenen Niveau fortzusetzen.
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Rubrizierung: 2.3332.322.22.22 Empfohlene Zitierweise: Dirk Burmester, Rezension zu: Philipp Richter (Hrsg.): Privatheit, Öffentlichkeit und demokratische Willensbildung in Zeiten von Big Data Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/39546-privatheit-oeffentlichkeit-und-demokratische-willensbildung-in-zeiten-von-big-data_48076, veröffentlicht am 17.03.2016. Buch-Nr.: 48076 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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