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/ 03.06.2013
Thomas Schuster

Staat und Medien. Über die elektronische Konditionierung der Wirklichkeit

Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1995; 281 S.; 19,90 DM; ISBN 3-596-12594-4
Die Kritik an den realitätsverzerrenden, unkritischen und anspruchslosen Programmangeboten der elektronischen Medien, vor allem des Privatfernsehens, ist gängige Münze, wird aber zumeist auf autonome Bedingungen der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung (z. B. die Globalisierung) zurückgeführt. Dieser These, die insbesondere den kommunikationswissenschaftlichen Zugang zur Medienproblematik charakterisiert, stellt der Autor eine Sichtweise entgegen, die an der Zentralität der (national)staatlichen Politik im Medienbereich festhält und die Verantwortung derjenigen Kräfte herausstellt, "welche über den gesellschaftlichen Gebrauch der Technologie bestimmen" (97). Von dieser Position ausgehend wird die Vereinnahmung der Medien durch die Politik anhand aktueller Beispiele (u. a. des Golfkriegs) eingehend beschrieben. Der Autor zeigt, daß einerseits die Agenden der Berichterstattung heute wesentlich durch die Instanzen des Staates, vor allem der Exekutive geprägt sind. Auf der anderen Seite sorge die privatwirtschaftliche Organisation der Medienlandschaft dafür, daß sich die Programminhalte homogenisierten und systemkritische Stimmen von vornherein ausgeblendet würden. Die Ursache dafür wird - paradoxerweise - in der Konstitutionalisierung der politischen Öffentlichkeit gesehen, die zu einer Koppelung an die Staatsmacht und damit zur Unterminierung ihrer eigenen Existenz geführt habe (205). Das Ergebnis sei das genaue Gegenteil der befreienden Wirkung, die den Massenmedien von ihren Profiteuren regelmäßig zugeschrieben wird. Wenn die Kritik daran über das Ziel gelegentlich hinausschießt, liegt dies insbesondere an den demokratietheoretischen Prämissen des Autors, der sich am Ideal einer kritischen Öffentlichkeit orientiert und die Rechenschaftspflicht der Politik vor eben dieser Öffentlichkeit einfordert. Unklar bleibt, wie ein demokratiekonformes, entstaatlichtes Mediensystem beschaffen sein müßte, das die elektronische Konditionierung der Wirklichkeit in Zukunft abwendet.
Frank Decker (FD)
Prof. Dr., Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie, Universität Bonn.
Rubrizierung: 2.22 Empfohlene Zitierweise: Frank Decker, Rezension zu: Thomas Schuster: Staat und Medien. Frankfurt a. M.: 1995, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/943-staat-und-medien_872, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 872 Rezension drucken
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