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Rezension / 11.12.2017

Josef Foschepoth: Verfassungswidrig! Das KPD-Verbot im Kalten Bürgerkrieg

Göttingen, Vandenhoeck und Ruprecht 2017

Der Historiker Josef Foschepoth arbeitet – gestützt auf bislang geheim gehaltene Unterlagen – die fast schon klandestinen Zusammenhänge heraus, die sich um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich des Verbots der KPD, das am 17. August 1956 verkündet wurde, rankten. Die Quellen offenbaren eine heute unvorstellbare Einmischung der Bundesregierung in den Prozessverlauf und sogar in die Zeugenbefragungen. Zeitgleich war der geschichtspolitische Versuch zu beobachten, die NS-Vergangenheit dem Vergessen anheim geben zu wollen. Die Analyse Foschepoths lässt nur einen Schluss zu: Das Verfahren zum KPD-Verbot lief verfassungswidrig ab.

Der Historiker Josef Foschepoth hatte bereits mit seinem Werk „Überwachtes Deutschland“ über die Post- und Fernmeldeüberwachung in der alten Bundesrepublik – 2017 in der fünften Auflage auf dem Markt – aus den geheimen, nunmehr der zeitgeschichtlichen Forschung zugänglich gemachten Verschlusssachen (VS) der Bundesregierung geschöpft. Seine Forschungsergebnisse sorgten für erhebliches Aufsehen. In seinem neuen Buch, das sich im Kern auf der Konsultation bislang geheim gehaltener Unterlagen stützt, arbeitet Foschepoth die fast schon klandestinen Zusammenhänge heraus, die sich um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hinsichtlich des Verbots der KPD, das am 17. August 1956 verkündet wurde, rankten.

Aufgrund der Belege kann er nachweisen, dass dieser Urteilsspruch „ein durch und durch verfassungswidriges Verfahren“ gewesen und „von Anfang an zwischen der Bundesregierung [der Antragstellerin] und dem Bundesverfassungsgericht inhaltlich und taktisch […] abgestimmt worden“ sei. Den Selbstanspruch, „keinerlei Einwirkungen von außen“ unterworfen und in seinen Beratungen und Entscheidungen nur dem Gesetze gegenüber verpflichtet zu sein, diskreditierte es damit wie von selbst (10, 11). Viele Jahre später haben Verfassungsrichter wie Herbert Scholtissek, der am Urteil mitgewirkt hatte, und Erwin Stein, der Berichterstatter des Verfahrens war, eingeräumt, dass das Urteil nicht „schlüssig“ begründet gewesen sei beziehungsweise das höchste deutsche Gericht der Regierung vorgeschlagen habe, den Verbotsantrag zurückzuziehen (8 f.).

Trotz seines gerichtsförmigen Aufbaus und seiner rechtsförmigen Entscheidungs- und Urteilspraxis wurde das Verfassungsgericht vom Anfang seiner Existenz an von den Regierungsparteien als ein durch und durch politisches Organ gesehen und entsprechend behandelt. Die Bundesregierung baute Druck auf das Gericht auf, der dazu führte, dass das Prinzip der kodifizierten Gewaltenteilung erkenntlich ausgehebelt wurde. Der Autor schreibt, dass die Regierung ein Verbotsurteil eindeutig erwartet habe und das BVerfG dieser Erwartungshaltung zu entsprechen gehabt habe – nach außen hin verklausuliert, im internen Verkehr mit unverhohlener Bestimmtheit (10).

Seine durchgehende Argumentation kleidet Foschepoth in die Frage, „inwieweit grundlegende Prinzipien und Normen der Rechtsstaatlichkeit verletzt wurden“ (12). Die Korrespondenz der Bundesregierung, insbesondere der beiden Bundesministerien der Justiz und des Inneren in Absprache mit dem Bundeskanzleramt, mit dem Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sind von einer derart beklemmenden, um nicht zu sagen: erschreckenden Aussagekraft über das Verhältnis von Exekutive und Verfassungsjustiz, dass man in der Tat von Verfassungsbeugung sprechen muss.

Es ist vor allem zwingend, sowohl Verbotsantrag durch die Bundesregierung als auch Verbotsurteil durch das BVerfG mit der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Sozialistischen Reichspartei (SRP), die sich expressis verbis als Nachfolgeorganisation der NSDAP verstand, zusammen zu sehen. Die KPD, von der SED angeleitet und finanziert, abhängig von den strategischen Veränderungen in der Deutschlandpolitik in Ost-Berlin und in Moskau (50, 54, 51-61), war im „Kalten Bürgerkrieg“, wie Foschepoth diesen Fundamental-Antagonismus zwischen West und Ost durchgehend nennt, der „innere Feind“ schlechthin. Sie galt gleichsam als „Fünfte Kolonne“ Moskaus beziehungsweise Pankows, die es nach dem politischen Willen der Bundesregierung mit allen Mitteln zu bekämpfen galt, wenn es sein musste, auch auf unlauterem und/oder gesetzeswidrigem Wege.

Es ist in diesem Kontext sehr aufschlussreich, auf die Ausführungen von Adenauer in seiner ersten Regierungserklärung 1949 hinzuweisen, die cum grano salis den regierungsamtlichen Weg der Kriminalisierung der KPD einleiten sollte. Adenauer gab sich zwar entschlossen, die Radikalismen von rechts und links gar nicht erst aufkommen zu lassen und sie mit Mitteln der Jurisdiktion zu eliminieren. Gleichzeitig propagierte er hinsichtlich der NS-Vergangenheit eine Amnesie, um diese auf sich beruhen zu lassen. Aber bei der Gewichtung von rechts und links verschob sich die unterstellte Äquidistanz ganz erheblich: Die rechtsradikalen Umtriebe wurden bagatellisiert, die Aktionen der KPD hingegen in den schwärzesten Farben gesehen – trotz der Tatsache, dass selbst der Verfassungsschutz über seine V-Leute eine rapide einsetzende Bedeutungslosigkeit der und eine sich ausbreitende Katastrophenstimmung in der KPD konstatieren musste (84 f.).

Die Bespitzelung der Kommunisten nahm fast schon hysterische Formen an. Auch wurde diesbezüglich das Strafrecht verschärft, mit dem Ergebnis, dass der Bundesgerichtshof eine „einzigartige Monopolstellung“ erhielt. Die Installierung eines Generalbundesanwalts sorgte dafür, dass diese Institution die Verbindung zwischen Politik und Justiz herstellte, da sie weisungsgebunden vorging. Ebenso wurden Sonderstrafgerichte eingerichtet (obwohl dies die drei westlichen Besatzungsmächte untersagt hatten), die für die Aburteilung von Staatsdelikten zuständig waren (92-96). Die Einrichtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz sowie der Verfassungsschutzämter in den Ländern, ausgestattet mit weitreichenden Vollmachten, bekamen die Aufgabe zugewiesen, verfassungsfeindlichen Bestrebungen nachzugehen (96-102). Ausschließlich zuständig für das Verbot einer als verfassungswidrig erkannten Partei war laut Grundgesetz das BVerfG. Wichtig war auch die alleinige Zuständigkeit für die Verwirkung von Grundrechten. Das Gesetz über das Gericht wurde im März 1951 in Kraft gesetzt; erst ein halbes Jahr später konnte es seine Tätigkeit aufnehmen, wenn auch sehr unvollkommen und organisatorisch eingeschränkt.

Trotz des extrakonstitutionellen, vom Grundgesetz nicht antastbaren Artikels 139 GG, in welchem alle Rechtsvorschriften, die sich auf die „Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und vom Militarismus“ bezogen hatten, wurde mit der SRP eine Nachfolgeorganisation der NSDAP gegründet, die allerdings nur in Niedersachsen stärker in Erscheinung trat und bei den Landtagswahlen im Frühjahr 1951 immerhin elf Prozent der Stimmen erreichte. Dieses für die junge Demokratie verheerende Ergebnis rief die Alliierten Hohen Kommissare der Westmächte auf den Plan, da sie darin eine Unfähigkeit der Deutschen sahen, sich vom NS-Gedankengut abzuwenden. Die Bundesregierung, die so unter Druck gesetzt wurde, mit aller Konsequenz gegenüber dem Rechtsradikalismus vorzugehen, kam nicht umhin, einen Antrag beim BVerfG zu stellen, die SRP als verfassungswidrig anzusehen und verbieten zu lassen (106-113). Genau hier kommt wieder das Ansinnen der Bundesregierung ins Spiel, gewissermaßen als Ausgleich, die KPD ein für alle Mal zu liquidieren. Kapitel 4, das diese Materie behandelt, trägt den Untertitel: „Kein Verbot der SRP ohne ein Verbot der KPD“ (106-137).

Die Besatzungsmächte hatten ein Verbot der KPD vehement abgelehnt, da die inkriminierte Partei politisch bekämpft werden sollte (115). Weitaus gefährlicher erachteten sie die aus Umfragen belegte Erkenntnis einer anwachsenden Renationalisierung der deutschen Gesellschaft. Selbst die Verfassungsschutzämter waren aufgrund ihrer Observationsmaßnahmen der Ansicht, dass eine illegal operierende KPD viel gefährlicher wäre als in der Gestalt einer legal aktiven Partei (129 f.). Und überhaupt ginge von der KPD keine Bedrohung für den Erhalt der Bundesrepublik aus. Foschepoth fasst diese Entwicklung so zusammen: „Indem das KPD-Verbot das SRP-Verbot erst ermöglichte, erhielt es die wichtige politisch-instrumentelle Funktion, den Nationalismus der Mehrheitsgesellschaft einzugrenzen und zu relativieren und dem Antikommunismus zum Durchbruch zur neuen sinnstiftenden Staatsdoktrin zu verhelfen.“ (136 f.)

Nachdem die Bundesregierung ihren Antrag auf Verbot der KPD in Karlsruhe eingereicht hatte, setzte bis zum Urteilsspruch die Entwicklung einer zweckorientierten Verzahnung beider Organe ein, die man als asymmetrisch bezeichnen kann – mit einem aktiv-steuernden und einem passiv-defensiven Teil. Das oberste deutsche Gericht avancierte gewissermaßen zum Befehlsempfänger der exekutiven Vorgaben. Bundesinnen- und Justizministerium wurden immer wieder in Karlsruhe vorstellig, um darauf zu drängen, endlich die Prozesse gegen SRP und KPD auf den Weg zu bringen. In Arbeitsgesprächen zwischen Regierungsvertretern und Richtern wurden streng vertrauliche Verabredungen getroffen, den KPD-Prozess möglichst wasserdicht vorzubereiten. Das ging bei der SRP schneller (142 ff.). Permanent unterrichtete der erste Präsident des BVerfG, Hermann Höpker-Aschoff (ein FDP-Politiker, in der Weimarer Republik zeitweise preußischer Finanzminister), gesetzeswidrig die zuständigen Ministerien über Gerichtsinterna (140, 148). Die permanente Impertinenz der „Bonner“ war mit Händen zu greifen ob der dilatorischen Behandlung des Falles durch das BVerfG. Foschepoth fragt daher zurecht: Warum zögerte das Gericht, vor allem sein Präsident, den Prozessbeginn immer wieder hinaus? Immerhin dauerte das ganze Verfahren vom Zeitpunkt der Antragsstellung bis zum Urteil ganze 55 Monate (166). Sowohl Höpker-Aschoff als auch sein Nachfolger im Amt, Josef Wintrich, wollten im Grunde den Prozess nicht und hofften, die Bundesregierung würde ihren Antrag zurückziehen. Foschepoth vermutet hinter diesem Motiv das Gefühl von „Angst“ bei den Richtern vor den politischen und persönlichen Folgen und Implikationen dieses hochpolitischen Verfahrens (196 f.).

Das BVerfG war von der rechtlichen und politischen Zweckmäßigkeit des Verbotsverfahrens wenig überzeugt. Auch machte ihm sein noch ungeklärter Status zu schaffen: War es ein Gericht wie jedes andere auch, von der Exekutive abhängig? Oder war es ein Kontrollorgan gegenüber den legislativen und exekutiven Gewalten? (199) Das BVerfG konterkarierte gleichwohl seine verfassungsrechtliche Stellung, indem es unverdrossen mit der Bundesregierung Hand in Hand zusammenwirkte. Die Erwartungen der Exekutive sollten nicht enttäuscht werden (202). Als ein Schlüsseldokument für die asymmetrische Kooperation zwischen Exekutive und Judikative bezeichnet der Autor eine geheime Besprechung zwischen Erwin Stein, dem Berichterstatter für den KPD-Prozess, und einem ranghohen Vertreter des Bundesinnenministeriums am 29. September 1954 (219 ff.). Foschepoth konstatiert nüchtern: „Eine unglaubliche Kungelei zwischen den staatlichen Gewalten.“ (228)

Adenauer erklärte 1956, also nach dem Urteilsspruch, dass das Gericht auf dem Standpunkt stehe, „dass die KP bis zum Untergang der Welt [sic!] verboten ist“ (235). Die mündliche Verhandlung selbst geriet mehr und mehr zu einem Fiasko für den 1. Senat. Nicht nur, dass es in der Frage der Prozessführung der Bundesregierung freien Lauf gelassen hat. Es wurden zudem Befragungen von Zeugen nicht während der Verhandlung, sondern in geheimen Treffen und auf Verlangen der Bundesregierung in Gestalt ihres Prozessbevollmächtigten Hans Ritter von Lex, Staatssekretär im Innenministerium und ein eingefleischter antikommunistischer Nationalist mit NS-Vergangenheit, geführt (243 ff.). Es bleibt grundsätzlich festzuhalten, dass die Bundesregierung die Fragen vorgab und nicht, wie es eigentlich das Gesetz bestimmte, das Gericht. Der Prozessgegner benutzte natürlich das Verfahren, um diese Taktiererei zu durchkreuzen. So wurde das BVerfG mit Anträgen überhäuft, was die Richter völlig überforderte. Zudem hatte der Berichterstatter Stein ein Protokoll der Aussage eines KPD-Funktionärs nach einer Vorlage des Bundesamtes für Verfassungsschutz verfasst, die den Anklagematerialien beigefügt wurden (243-254).

Kurzum: Die Bundesregierung war de facto Herrin des Verfahrens. Das zeigt sich auch bei der Novellierung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht. Die Novelle wurde am 20. Juni 1956 im Bundestag verabschiedet. Dieses Datum ist keine quantité negligeable. Das Gesetz enthielt nämlich, ziemlich „gut versteckt“, wie Foschepoth bemerkt (267), einen Passus, der bestimmt, dass hinsichtlich der Neuverteilung der Verfahren zwischen den beiden Senaten dem federführenden 1. Senat die Zuständigkeit über den KPD-Prozess entzogen wurde und zwar mit Wirkung zum 1. September 1956, sofern allerdings ein Urteil nicht spätestens bis zum 31. August 1956 verkündet werde. Im Gesetzestext stand dies zwar nicht explizit, aber jeder wusste, dass das auf den KPD-Prozess gemünzt war. So war das BVerfG gezwungen, noch innerhalb dieser Frist zu einem Urteilsspruch zu kommen, in dem die Verfassungswidrigkeit und die Auflösung der KPD festgeschrieben, ihr Vermögen eingezogen und der Aufbau von Nachfolgeorganisationen verboten wurde (269). Es genügte bereits die Absicht einer verfassungswidrigen Haltung, die bundesdeutsche Demokratie gewaltsam zu stürzen und eine Diktatur im kommunistischen Sinne zu errichten, auch wenn aktuell die Realisierungschancen gleich null waren.

Das Urteil des BVerfG war für mindestens ein Jahrzehnt der Freifahrtschein für die Exekutive in Bund und Ländern, jegliche Regung kommunistischer Betätigungsversuche mit aller Härte zu unterbinden. Dabei stellte sich in den Folgejahren heraus, dass in Staatsschutzsachen circa 90 Prozent der zur Anzeige gebrachten Vorfälle nicht weiter verfolgt wurden und die Verfahren eingestellt werden mussten (310, 320). Foschepoth hat dieses Datum in seinem vorletzten Kapitel über „Die verweigerte Amnestie. Initiativen zur Freilassung politischer Gefangenen“ (279-313) erwähnt, um zu verdeutlichen, dass zur gleichen Zeit die zahlreichen ehemaligen NS-Funktionsträger und im neuen demokratischen Staat hochrangige Positionen bekleidende Staatsbedienstete nicht das Geringste zu befürchten hatten. Im Gegenteil: Parallel zur Amnesie in der Vergangenheitspolitik vollzog sich reziprok eine funktional-äquivalente Absolution der Steigbügelhalter des etatistischen Extremismus.

In der Mitte der 1960er-Jahre wurden Stimmen aus der Politik immer vernehmlicher, die politische Strafjustiz zu reformieren und in diesem Zusammenhang die Politik der Abschottung der Kommunisten vom politischen Leben sukzessive zurückzuschrauben beziehungsweise ganz aufzugeben. Es war vor allem der Bundesminister der Justiz in der Großen Koalition (1966-1969), Gustav Heinemann (SPD), der hierbei die treibende Kraft war (325 ff.). Da eine Relegalisierung der alten KPD auf gar keinen Fall in Frage kam – das hätte nur über eine Änderung des Grundgesetzes beziehungsweise des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes laufen können –, schlug Heinemann den alten KPD-Funktionären vor, nicht eine Wiederzulassung der verbotenen KPD anzustreben und es mit einer neu zu konstituierenden kommunistischen Partei zu versuchen. Ein erster wichtiger Schritt stellte eine im Sommer 1968 in Kraft getretene Änderung des Strafrechtsgesetzes dar, die de facto einer Generalamnestie für politisch Verfolgte entsprach. Ihr Ziel war einer Entspannung und Entkrampfung zwischen der west- und ostdeutschen Bevölkerung das Wort zu reden und alte Feindbilder in ihrem politischen Gewicht aufzulösen (338-340). Zur formalen Gründung einer neuen kommunistischen Partei unter dem Namen „Deutsche Kommunistische Partei (DKP)“ kam es allerdings erst 1971, nach längeren Querelen zwischen der SED und den Altkommunisten in der Illegalität. Zwar war der großkoalitionären Bundesregierung bewusst, dass die Legalisierung einer neuen kommunistischen Partei zweifelsohne eine Variante der verbotenen KPD sein würde. Doch auch aus außen- und entspannungspolitischen Erwägungen heraus unterblieb ein Verbotsantrag. Foschepoth sieht hierin einen „historischen Kompromiss“ (350). Der Wermutstropfen war freilich, dass die aufgekommene rechtsnationalistische NPD, die in einigen Landtagen vertreten war, verfassungsgerichtlich ebenso von einem Verbotsantrag verschont blieb.

Josef Foschepoth ist es mit seiner in großen Partien spannend erzählten, die Quellen nie überstrapazierenden Studie bravourös gelungen, die Zeitgeschichtsforschung über die Frühgeschichte der Bundesrepublik mit ihrer autoritären Staat politik, ihrer antikommunistisch-nationalistischen politischen Kultur, die staatlicherseits essentiell auf Westintegration gepolt, kulturell aber noch stark durch die Mentalitäten des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt war, erheblich zu bereichern. In dieser eigenartigen hybriden Konstellation kam auch das BVerfG nicht umhin, in diesem weltanschaulichen Antagonismus zwischen dem demokratischen Westen und dem kommunistischen Osten seine zugewiesene Rolle zu spielen; es konnte sich diesem gefährlichen Spiel nicht so einfach entziehen. Die Verfassungsjustiz war zweifellos eine ancilla politicae. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass die beiden ersten Präsidenten des BVerfG willensschwache Persönlichkeiten waren, ohne Autorität und Selbstachtung und daher den Respektlosigkeiten der exekutiven Organe ohnmächtig ausgeliefert. Auch andere höchste Gerichte, allen voran der Bundesgerichtshof (BGH), verkündeten strafrechtlich relevante Urteile, die auf staatspolitischer Linie lagen. Das hat sich in den folgenden Jahrzehnten mehr oder weniger radikal gewandelt. Heikle Gesetzesvorhaben werden vielmehr so gestaltet, dass sie wasserdicht vor „Karlsruhe“ bestehen können. Man könnte auch sagen, dass die Politik heute in die Rolle der ancilla justitiae geschlüpft sei, und zwar in dem Sinne, dass das Gericht in der Rekrutierung seiner Amtsträger zwar noch von der Parteipolitik abhängig bleibt, aber dass es der Politik wie ein Damoklesschwert vorkommen muss, das jederzeit hernieder sausen kann und die politischen Entscheider in die Schranken weist oder gar blamiert. Allerdings steht das BVerfG auch immer wieder im Verdacht, allzu oft in den politischen Gestaltungsspielraum einzudringen und so seine Kontrollfunktion zu überdehnen, insbesondere in der Außen- und neuerdings in der Europapolitik. Das hat nicht nur mit dem BVerfG selbst, seinem Personal und seinen Urteilsbegründungen, sondern mehr noch mit dem gesellschaftlich-politischen Umfeld zu tun, also das, was man mit dem Begriff der „Zivilgesellschaft“ zu umschreiben sich angewöhnt hat. Dieses Element war damals noch unsichtbar. Die staatlichen Gewalten regierten „top down“. Selbst die SPD als stärkste Oppositionspartei hatte ihren Anteil daran. Auch das Verfassungsgericht ist davon nicht auszunehmen. Bezüglich dieser Tatsache hat Josef Foschepoth unser aller Bewusstsein geschärft.

 

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