/ 03.06.2013
Siegmar Schelling / Michael J. Inacker (Hrsg.)
Was ist los mit der SPD? Besorgte Sozialdemokraten melden sich zu Wort
Frankfurt a. M./Berlin: Ullstein 1996; 160 S.; 29,90 DM; ISBN 3-548-36653-8Führende Sozialdemokraten analysieren den Zustand ihrer Partei. Durchgehend sind die Beiträge von (Selbst-)Kritik geprägt, die teilweise in Vorschläge für zukünftige Schwerpunkte und Strategien mündet. Ein polarisierender Beitrag ist der von Hans Apel, der sich entschieden gegen eine Festlegung auf den rot-grünen Kurs ausspricht. Lafontaine sei "ein begnadeter Demagoge", die SPD brauche aber keinen "politischen und moralischen Luftikus" (56). Peter Glotz rügt diesen Angriff als Verunglimpfung und stellt die Grundsätze, das Charisma und die Flexibilität Lafontaines heraus. Daß er bisher noch nicht die "symbolische und faktische Neuorientierung" wie Tony Blair geschafft habe, läge an den Rivalitäten im engsten Führungskreis der SPD (75). Erhard Eppler bringt wohl ein Hauptproblem der Partei auf den Punkt, wenn er in bezug auf das SPD-Führungstrio die "schlimmste Schwäche der Achtundsechziger" beschreibt: "ihre Ich-Bezogenheit, der leidenschaftliche Tanz um das vergoldete Ego" (100). Im Anhang sind Auszüge aus dem Berliner Grundsatzprogramm der SPD (1989) abgedruckt, außerdem Tabellen und Schaubilder über Wählerverhalten und die Mitgliederentwicklung.
Inhalt: Siegmar Schelling / Michael J. Inacker: SPD in der Krise. Von der Schwäche einer Volkspartei und den Folgen für die deutsche Politik (9-36); Manfred Tescher: Partei im Spagat. Eine Bestandsaufnahme zum Wandel der deutschen Sozialdemokratie (37-47); Klaus von Dohnanyi: Im Gegensatz zur Wirklichkeit. Wenn eine Partei Macht- und Verantwortungsbewußtsein verliert (48-53); Hans Apel: Das Problem Lafontaine. Die SPD auf dem Weg zur einseitig Grün fixierten Blockpartei (54-57); Hartmut Soell: Von den Füßen auf den Kopf. Wie der innerparteiliche Kulturkampf die Arbeitnehmer vertrieb (58-62); Friedhelm Farthmann: Verlust der inneren Linie. Über die Notwendigkeit einer neuen Programm-Debatte (63-66); Georg Kronawitter: Vom Verantwortungsneutralismus zu einer neuen Realpolitik (67-71); Peter Glotz: Wechsel der Maxime. Begriffswäsche, Ende des Taktierens und Teambewußtsein als Wege aus der Krise (72-75); Peter von Oertzen: Einzug der Eitelkeiten. Über den Wunsch nach "Wir-Gefühl" und den traditionellen Werten der Arbeiterbewegung (76-80); Hermann Rappe: Unfähig zum Regieren. Die wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Defizite der Partei in der Debatte um den Standort Deutschland (81-85); Heinrich August Winkler: Abkehr vom Westen. Von den Problemen der SPD im Umgang mit Ostdeutschland (86-92); Joachim Becker: Suche nach neuen Bündnissen. Die Nähe zu den Gewerkschaften macht aus Sozialdemokraten Strukturkonservative (93-97); Erhard Eppler: Bedarf an Disziplin. Warum ohne Sekundärtugenden jede Volkspartei vor der Auflösung steht (98-102); Manfred Lahnstein: Kollektiver Autismus. In der SPD ist das Handeln für das Gemeinwesen und die Arbeit bis zum Umfallen in Vergessenheit geraten (103-106); Johano Strasser: Die europäische Karte. Politische Gestaltungsfähigkeit im Sinne sozialdemokratischer Werte muß auf der Ebene der EU zurückgewonnen werden (107-111); Hans Koschnick: Ende der Sonderrolle. Warum Deutschland künftig größere Verantwortung tragen muß (112-115); Elke Leonhard: Flügelschlagen. Der nächste SPD-Kanzlerkandidat muß von den Mitgliedern gewählt werden (116-119); Heinrich Potthoff: Diskreditierter Sozialismus. Wichtiger als Programme und Parolen sind Profil und Praxis (120-123); Herta Däubler-Gmelin: Historischer Auftrag. Warum die SPD erfunden werden müßte, wenn es sie nicht schon gäbe (124-128).
Stefan Lembke (SL)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.331
Empfohlene Zitierweise: Stefan Lembke, Rezension zu: Siegmar Schelling / Michael J. Inacker (Hrsg.): Was ist los mit der SPD? Frankfurt a. M./Berlin: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/2439-was-ist-los-mit-der-spd_3138, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 3138
Rezension drucken
M. A., Politikwissenschaftler.
CC-BY-NC-SA