/ 08.09.2016
Frank Bsirske / Klaus Busch / Olivier Höbel / Rainer Knerler / Dieter Scholz (Hrsg.)
Gewerkschaften in der Eurokrise. Nationaler Anpassungsdruck und europäische Strategien
Hamburg: VSA 2016; 238 S.; 19,80 €; ISBN 978-3-89965-681-7Die Eurokrise wirkt sich entscheidend auf die europäischen Gewerkschaften aus, die einerseits ihre nationalen Machtperspektiven aufrechterhalten und andererseits Solidarität etwa im Hinblick auf den Kampf gegen die Austeritätspolitik üben müssen, so lautet die Grundthese des Bandes. Die Autor_innen nehmen eine komparative Analyse der industriellen Beziehungen sowie der Handlungsmöglichkeiten der unterschiedlichen Typen (nordisch‑, liberal‑, kontinental‑, mediterran‑, ost‑)europäischer Gewerkschaften vor. So gelangen Gero Maass und Henri Möllers sowie Georg Feigl, Sandra Breiteneder und Wolfgang Greif für Schweden beziehungsweise Österreich zu dem Schluss, dass es den Gewerkschaften der jeweiligen Länder gelungen ist, die Folgen der Krise durch einen Krisenkorporatismus abzufangen und somit trotz schmerzhafter arbeitspolitischer Kompromisse eigene Interessen durchzusetzen, etwa hinsichtlich der Kurzarbeit oder betriebsinterner Arbeitszeitflexibilisierungen. Die Autor_innen der Beiträge zu den süd‑ und osteuropäischen Ländern kommen insgesamt zu dem Ergebnis, dass eine krisenkorporatistische Politik oftmals nicht möglich war, da exogene Faktoren – etwa die Troika oder andere Maßnahmen – die Machtverhältnisse zuungunsten der Gewerkschaften verschoben haben. Dies führte konkret beispielsweise zur Abnahme der Tarifbindungen, Durchlöcherung des Tarifvorrangs oder der Geltung bestehender Tarife, Absenkung der Mindestlöhne oder Einschränkung der Koalitionsfreiheit. Torsten Müller und Hans‑Wolfgang Platzer konstatieren, dass die Gewerkschaften „zurück“ (36) sind und widersprechen damit der gängigen Diagnose des Bedeutungsverlusts der Gewerkschaften. Neben der komparativen Analyse von neun europäischen Ländern werden auch transnationale Kooperationen vorgestellt, wie etwa ein deutsch‑polnisches Projekt, in dem industriell‑betriebliche Akteure aus der Produktion bezüglich Handlungskompetenz und Interessenvertretung in regelmäßigen Seminaren, Schulungen und Workshops weitergebildet wurden. Insgesamt werden in diesem Band die Voraussetzungen für eine solidarische Politik der Gewerkschaften im Kampf gegen das internationale Kapital aufgezeigt. Diese an marxistische Semantiken anknüpfende Rhetorik wird jedoch in den Beiträgen mit Statistiken und Fallbeispielen gut beleuchtet und es wird gezeigt, dass die Eurokrise tatsächlich zu einer nationalen wie internationalen Umverteilung von unten nach oben geführt hat.
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Rubrizierung: 2.22 | 2.331 | 2.4 | 2.61 | 3.4 | 3.5 Empfohlene Zitierweise: Christian Heuser, Rezension zu: Frank Bsirske / Klaus Busch / Olivier Höbel / Rainer Knerler / Dieter Scholz (Hrsg.): Gewerkschaften in der Eurokrise. Hamburg: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/40053-gewerkschaften-in-der-eurokrise_47960, veröffentlicht am 08.09.2016. Buch-Nr.: 47960 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA